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Schwaben-Sumpf

Schwaben-Sumpf

Titel: Schwaben-Sumpf
Autoren: Klaus Wanninger
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Mord-und Unfallopfer sie in seiner Gegenwart schon hatte begutachten müssen. »Kein guter Tag, nein«, bestätigte sie, den Blick auf die Tote vor sich gerichtet.
    Sie ging in die Hocke, betrachtete das schmale, bleiche Gesicht des Mädchens, sah die kräftig geschminkten Lippen, die trotz der Totenstarre noch zart und unversehrt wirkende Haut, ihre langen blonden Haare. Nicht nur nach landläufiger Sicht eine junge, gerade erst aufblühende Schönheit, überlegte sie. Dann bemerkte sie die Druckspuren an ihrem Hals und eine kleine verkrustete Wunde an der linken Schläfe.
    »Erwürgt.« Dr. Keil brachte ihre Vermutung zum Ausdruck, bevor sie die Frage formuliert hatte.
    »Eindeutig?« Sie drehte ihren Kopf, schielte in die Höhe.
    »Erwürgt und gegen eine Kante gestoßen. Kein Unfall.«
    Sie überflog den Leib der Toten, die mit blauen Jeans, weißen Sportschuhen und einem hellgrünen T-Shirt gekleidet war. Zwei, drei Schmutzflecken an der Hose, sonst schien alles in Ordnung. »Nicht vergewaltigt?«
    Der Arzt hob beide Hände. »Noch habe ich sie nicht untersucht.« Er deutete auf den Unterleib der Leiche. »Aber es sieht nicht so aus.«
    Nein, dachte sie, es sieht wirklich nicht so aus. Sie kannte den Anblick geschändeter, vergewaltigter weiblicher Toter zur Genüge. Zerrissene Hosen, zerfetzte Unterwäsche, sichtbar gequälte Körper. Das Mädchen hier passte nicht in dieses Bild, jedenfalls nicht nach dem ersten Augenschein. »Wurde der Täter daran gehindert?«
    Dr. Keil ging nicht auf ihre Überlegung ein. »Gegen Mitternacht«, sagte er stattdessen.
    Neundorf begriff sofort, was er damit andeuten wollte. »So lange schon?« Sie schaute auf ihre Uhr. Zwanzig vor zwölf.
    Kurz nach elf war sie benachrichtigt worden. »Sie ist seit fast zwölf Stunden tot?«
    »Vielleicht auch erst gegen eins. Sie wissen, ich benötige Zeit für genauere Untersuchungen.«
    Sie starrte den Gerichtsmediziner an, schob sich langsam in die Höhe. Gewiss, er benötigte Zeit für genauere Untersuchungen. Doch wenn Dr. Keil sich zu einer Aussage entschloss, wie schnell auch immer, war er sich seiner Sache weitgehend sicher. Sie konnte sich nicht daran erinnern, dass er durch die Ergebnisse der Obduktion jemals zu gravierenden Änderungen seiner ersten Verlautbarung gezwungen gewesen war. Nicht in einem Fall, in dem sie als Ermittlerin beteiligt war. Und das waren eine ganze Menge.
    »Die hat noch ihr ganzes Lebe vor sich ghett«, erklärte Helmut Rössle. Er kniete immer noch auf dem Boden, suchte die Erde unter der Krüppelkiefer ab.
    Die Kommissarin starrte auf die Tote, gab dem Spurensicherer recht. »Ich schätze sie auf sechzehn oder siebzehn«, vermutete sie, »oder habt ihr genauere Daten?«
    Rössle schüttelte den Kopf, deutete nach unten. »Sie hat nix bei sich trage, koine Ausweis oder so. Aber do unte, die Kollege, hent oin, der behauptet, sie zu kenne.«
    »Ein Bekannter des Mädchens?« Neundorf sah überrascht auf.
    »En Nachbar, wenn i des richtig mitkriegt han, der wohnt irgendwo in der Näh, wenn der recht hat.«
    »Danke, ich werde mich darum kümmern.« Sie betrachtete die Umgebung, die Pflanzen, den Steilhang der Wiese, die Stufen der Treppe. »Kann es hier passiert sein?«, fragte sie.
    »Der scheiß Rege«, knurrte Rössle, »alle achtzig Deifel von Sindelfinge, der bringt uns völlig in d Bredouille.«
    »Es gibt keine Spuren?«
    »Nur oine. Dort vorne.« Er zeigte auf die Treppe etwa zwei Meter unterhalb, wo eine Plastikplane den Boden verdeckte, zog ein großes Taschentuch vor, schnäuzte sich. »Es könnt Blut sein.«
    »Von der Wunde an ihrer Schläfe?«
    »Vielleicht hent mir Glück und könnets analysiere. Aber sonst gibt’s nix. Der Rege heut Nacht …« Rössle wies auf die Hose der Toten. »Schleifspure send koine zu sehe.«
    »Was ist mit den Flecken?« Sie zeigte auf die schmutzigen Partien der Jeans.
    »Erde«, antwortete Lars Rauleder, »von hier. Sie muss mehrere Stunden so gelegen haben.« Er drückte sich vorsichtig hoch, streckte sich.
    »Der Täter hat sie unter dem Gebüsch versteckt?«
    Rauleder nickte. »Mit Erfolg. Sonst hätte es nicht so lange gedauert, bis sie entdeckt wurde.«
    Neundorf betrachtete die Figur des Mädchens, schätzte ihr Gewicht auf nicht einmal fünfzig Kilogramm. »Dazu reicht eine Person.«
    Der Spurensicherer sah keinen Anlass, ihr zu widersprechen. »Ein kräftiger Kerl macht das mit links. Das ist kein Problem.«
    »Dann kann er sie auch nach ihrem Tod
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