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ST - New Frontier 5: Ort der Stille

ST - New Frontier 5: Ort der Stille

Titel: ST - New Frontier 5: Ort der Stille
Autoren: Peter David
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»Ich habe wieder geträumt, Mutter.«
    In dem einfachen und schlicht eingerichteten Haus, das sie mit ihrer Tochter bewohnte, hatte Malia das Essgeschirr vom Tisch geräumt. Nun stand sie über der Spüle und wollte die Reste des Abendessens beseitigen. Ihre Tochter Riella wischte langsam mit einem Lappen über den Tisch. Dabei wirkte sie tief in ihre Gedanken versunken, und Malia wusste, dass es besser war, ihre Tochter in diesem Zustand nicht anzusprechen. Die Launen des Mädchens waren unberechenbar. Häufig schien ihr Geist an einem ganz anderen Ort zu weilen, vielleicht sogar in einer ganz anderen Zeit. Malia verzweifelte daran, ihrer Tochter nicht helfen zu können. Sie versuchte sich einzureden, dass auch das vorbeigehen würde. Aber sie hegte den traurigen Verdacht, dass sie sich in Wirklichkeit nur etwas vormachte.
    Es waren diese Träume, die Malia mehr als alles andere fürchtete. Es war schon eine ganze Weile her, seit Riella zuletzt über sie gesprochen hatte, und Malia hatte schon gehofft, dass Riella von ihnen befreit wäre. Aber sie wusste auch, dass Riella vielleicht nur aufgehört hatte, ihr von den Träumen zu erzählen, weil sie wusste, wie sehr sie ihre Mutter beunruhigten. All das verstärkte letztlich Malias Gefühl der allgemeinen Hilflosigkeit. Die Vorstellung, ihre Tochter könnte sich einmal so verhalten, dass sie ihrer Mutter keinen Kummer bereitete … nein, das wäre zu schön, um wahr zu sein.
    Malia tadelte sich innerlich selbst. Da machte sie sich Sorgen wegen ihrer möglichen Unzulänglichkeit, während ihre einzige Sorge Riella gelten sollte. Riella war eine zarte Schönheit, wie eine kunstvoll gearbeitete Puppe, die so zerbrechlich wirkte, dass sie bereits an einem harten Wort zu zerbrechen drohte. Sie war gerade so alt, dass sie noch von den letzten flüchtigen Erinnerungen an ihre kindliche Unschuld umweht wurde, während die Figur und die Bewegungen der Frau, zu der sie erst vor Kurzem geworden war, noch frisch und ursprünglich wirkten. Sie trug ihre Weiblichkeit wie ein Frühlingskleid, das noch ganz neu war.
    Riella hatte den Tisch sauber gewischt, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Offensichtlich wartete sie darauf, dass ihre Mutter das Schweigen brach. Malia spielte mit und fragte nach: »Die Träume? Bist du dir sicher?«
    »Ich denke, ich weiß sehr gut, was ich träume, Mutter.« In ihrer Stimme lag weder Ungeduld noch Verärgerung. Es war, als hätte sie sich einfach mit der Situation abgefunden, die sie zwar quälte, gegen die sie aber nichts unternehmen konnte.
    »Das wollte ich damit natürlich nicht andeuten, mein Kind. Es ist nur so, dass … nun ja …«
    Malia sprach nicht weiter, weil sie das Gefühl hatte, dass Riella ihr ohnehin nicht mehr zuhörte. Riella glitt mit unglaublich anmutigen Schritten durch den Raum, als würde sie schweben und nicht wie eine Normalsterbliche gehen. Sie blieb am Fenster stehen und blickte zum fernen Horizont. Zu dieser Jahreszeit ging die Sonne von Montos früh unter, und obwohl sie noch am Himmel stand, waren die Zwillingsmonde bereits gut am langsam dunkler werdenden Firmament zu erkennen.
    »Ich gehe nach draußen, Mutter.«
    Diese Ankündigung überraschte Malia. »Nach draußen?«
    »Ja. Nach draußen.«
    »Bist du dir sicher?«
    Diesmal drehte sich Riella halb zu ihr um. Ihre dünnen Lippen hatten sich zu einem leichten Lächeln verzogen. »Ständig fragst du mich, ob ich mir sicher bin, Mutter. Du scheinst mir heute Abend nicht übermäßig zu vertrauen.«
    Malias gewöhnlich blasse Wangen erröteten, und die Fühler auf ihrer Stirn zuckten leicht, ein Zeichen ihrer Aufregung. »Das hat nichts mit Vertrauen zu tun, Riella. Es ist einfach nur … nun, ich vertraue dir ja, aber …«
    »Aber dem Rest von Montos kannst du nicht vertrauen. Ist es das?« Sie schüttelte den Kopf. »Mutter, das klingt nicht nach einem besonders reizvollen Leben, das du für mich geschaffen hast. Montos ist meine Heimat! Warum sollte ich Angst haben, durch die Straßen meiner Heimat zu gehen?«
    »Du solltest keine Angst haben. Das ist meine Aufgabe«, erwiderte Malia bedauernd. Dann wurde sie wieder ernst.
    »Mutter … ich gehe fast nie nach draußen. Allmählich fühle ich mich in diesen vier Wänden eingesperrt. Bin ich eine Gefangene, Mutter?«
    »Nein. Ganz und gar nicht! Natürlich nicht! Ich würde dir niemals verbieten …« Ihre Hände flatterten ziellos in der Luft, dann sagte sie einfach: »Nein. Aber ich will nicht, dass du dich
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