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Schwaben-Sumpf

Schwaben-Sumpf

Titel: Schwaben-Sumpf
Autoren: Klaus Wanninger
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dieser Bruchbude zu stehen und darauf zu hoffen, dass der Typ, dessen körperliche Überreste sie heute Nacht am Rand der Ulmer Straße in Esslingen aus einem völlig demolierten Fahrzeug gezogen hatten, zu Lebzeiten nicht mit irgendjemandem liiert gewesen war, dem er jetzt die Hiobsbotschaft überbringen musste. Scheiß Job! Kurz nach drei mitten in der Nacht hatten sie ihn aus dem Bett geholt und zur Inspektion der Unfallstelle beordert, eines der besonderen Vergnügen, mit denen dieser Beruf aufwartete. Er hatte sich aus dem Bett geschält und vorsichtig angezogen, immer darum bemüht, seine Tochter Sophia nicht aus dem Schlaf zu reißen. Was ihm dann zu begutachten blieb, war eine jener fast schon alltäglichen Szenen, die Menschen seines Berufes exklusiv vorbehalten blieben und ein stoisches, von allen Emotionen gelöstes Verhalten erforderten: Beschreibung des Unfallortes, Auflistung der Toten und Verletzten, der Versuch, ihre Identität zu ermitteln, Skizzierung der Verformung des oder der Fahrzeuge, eventuelle Ursache des Geschehens. Das Übliche eben.
    Felsentretter drückte noch einmal kräftig auf die Klingel. Überlegte, bei einem der Nachbarn zu läuten, um sich über den Familienstand des Toten zu erkundigen, hörte den Summer. Überrascht starrte er auf die Tür.
    Verdammte Kacke, der Typ hatte Familie! Also doch die übliche Litanei.
    Er schob die Tür zurück, trat ins Innere. Ein helles kühles Treppenhaus mit abgetretenen Granitstufen empfing ihn. Er stapfte die Treppe nach oben, sah ein verschlafenes Gesicht in dem Türspalt.
    Meine Fresse, ein Bimbo – noch dazu in weiblicher Ausführung. Wohin bin ich da geraten!
    Felsentretter musterte das Namensschild neben der Tür, sah, dass er an der richtigen Wohnung angelangt war. Wer war das Weib? Stand dieser Noller auf Farbige?
    »Wer sind Sie?«, fragte er, vom Anstieg leicht außer Atem, den Blick auf das verschlafene Gesicht im Türspalt gerichtet. Ob die deutsch verstand?
    Die Frau starrte überrascht zu ihm auf. »Wie bitte?«, fragte sie in akzentfreier Aussprache.
    »Wer Sie sind, will ich wissen«, knurrte Felsentretter, jetzt mit deutlich gereiztem Unterton.
    Sie richtete sich auf, lachte laut. »Sie sind gut. Wer bin ich wohl? Haben Sie keine Augen im Kopf?« Sie deutete auf das Namensschild.
    »Noller?« Der Kommissar legte die Stirn in Falten, betrachtete die Frau mit kritischer Miene.
    »Allerdings. Das ist bei uns so üblich, dass man dort wohnt, wo man seinen Namen an die Tür schreibt.«
    »Aha. Sie heißen also Noller. Gibt es da auch einen Mann dazu?«
    Die Frau lachte. »Allerdings. Der liegt da drin im Bett und schläft.« Sie deutete in die Wohnung.
    »Der schläft? Und wessen Überreste sind es dann, die ich heute Nacht in Ihrem völlig demolierten Karren besichtigen durfte?«
    »Wie bitte?« Das verschlafene Gesicht hinter dem Türspalt schien nicht zu begreifen. »Von was reden Sie da? Unser Auto steht unten vor dem Haus. Wer sind Sie überhaupt? Was wollen Sie?«
    Felsentretter ließ sich nicht beirren. Er zog sein Notizbuch aus der Jackentasche, las das Kennzeichen des verunglückten Wagens ab. »Ein Opel Astra, zugelassen auf einen Bernhard Noller«, fügte er hinzu, behielt sein Gegenüber im Blick. »Ist das Ihr Karren oder nicht?«
    Die Frau starrte ihn aus großen Augen an, wiederholte die Nummer und das Fabrikat, nickte dann mit dem Kopf. »Ja, das ist unser Auto. Verunglückt? Das kann nicht sein. Wir waren die ganze Nacht hier.«
    »Dann zeigen Sie mir den Karren«, polterte Felsentretter ungeduldig, »wo soll er stehen?«
    »Dort vorne auf der Straße! Aber was soll das? Wer sind Sie?«
    Der Kommissar griff nach seinem Ausweis, hielt ihn in den Türspalt. »Alles klar?«
    »Polizei? Ich verstehe nicht …«
    »Zeigen Sie mir endlich den Karren!«
    »Moment. Jetzt hole ich doch meinen Mann.« Sie verschwand in der Wohnung, ließ die Tür offen stehen. Felsentretter hörte sie mit einem Mann sprechen, sah den dann, mit einer langen Hose und einem grauen Sweatshirt bekleidet, barfüßig auf sich zu kommen.
    »Bernhard Noller«, stellte er sich vor, »was ist mit unserem Wagen?« Er war mittleren Alters, unrasiert, hatte wirre, ungekämmte Haare, wirkte verschlafen.
    »Ja, wo ist er?«, konterte Felsentretter.
    Noller blieb neben der Tür stehen, machte sich an der Wand zu schaffen, schrie plötzlich laut auf. »Meine Schlüssel, verdammt, wo sind meine Schlüssel?«
    »Welche Schlüssel?«
    »Na, die für meinen Astra
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