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Schön tot: Ein Wien-Krimi (German Edition)

Schön tot: Ein Wien-Krimi (German Edition)

Titel: Schön tot: Ein Wien-Krimi (German Edition)
Autoren: Edith Kneifl
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bevorzugen wahrscheinlich den Silberwirt, oder?“
    „Ja. Früher saß ich im Sommer gern mit meinem Mann in dem schönen Gastgarten unter dem großen Kastanienbaum. Aber seit sich dieser Gergely hier breitgemacht hat, meide ich, so gut es geht, das ganze Schlossquadrat.“ Sie sprach so leise, dass ich sie kaum verstehen konnte. „Was diesen Gergely betrifft, da könnte ich Ihnen viele Geschichten erzählen …“
    Da ich sowieso neugierig auf alles war, was meinen ominösen Chef betraf, fragte ich: „Sie mögen ihn nicht?“
    „Mögen Sie ihn denn?“, antwortete sie mit einer Gegenfrage. „Habe selten so einen arroganten Menschen getroffen wie ihn. Außerdem ist er sehr unhöflich, fällt einem ständig ins Wort, lässt niemanden ausreden. Ein richtiger Platzhirsch halt.“
    Als arrogant und unhöflich hatte noch nie jemand meinen Chef bezeichnet. Dass er ungeduldig, launenhaft und ein bisschen jähzornig war, hatte ich schon gehört, aber arrogant war er, laut Aussage meiner Kollegen, wirklich nicht.
    Sie schien meine Verwunderung zu bemerken. „Sie können sich nicht vorstellen, wie er mich mal angefahren hat, nur weil ich es gewagt habe, ihn zu fragen, ob mein Mann mit seiner Freundin am Vorabend beim Silberwirt gewesen sei … Und angesehen hat er mich dabei, als wäre ich ein lästiges Insekt.“
    Ich schenkte ihr nach.
    Angela Bischof redete wie aufgezogen. Selbst als ich mich um andere Gäste kümmerte, hörte sie nicht auf zu reden. Ihre laute Stimme und ihr künstliches Lachen verfolgten mich bis an die Tische.
    Nach ihrem vierten Achtel begann sie mir von ihrer Scheidung zu erzählen. Ich hörte ihr mit halbem Ohr zu, während ich mich bemühte, die Sonderwünsche der Leitungswasserschnorrer zu erfüllen. „Einmal lauwarmes Wasser und einmal eiskaltes Leitungswasser – hier, bitte schön“, sagte ich zu den beiden leicht übergewichtigen Frauen in meinem Alter und unterdrückte ein Grinsen.
    „Warum hat es mir bloß keiner gesagt? Warum nur?“, jammerte Angela Bischof und wischte sich mit der Faust die Tränen von den Wangen. „Alle haben sich gegen mich verschworen. Alle wussten Bescheid und hielten dicht. Als ich misstrauisch wurde und Nachforschungen anzustellen begann, stieß ich auf eine Mauer des Schweigens. Auch der dort, dieser Koch, der sich ja sonst immer mit allen Gästen unterhält, hat nicht mit mir geredet“, sagte sie, als ich bei Manfred zwei Burger für die übergewichtigen Damen bestellte.
    „Hätte ich Beweise für sein Verhältnis mit diesem russischen Flittchen gehabt, dann wäre ich bei der Scheidung viel besser ausgestiegen …“
    Sie tat mir leid. Ihr Ex-Mann schien ihr tatsächlich übel mitgespielt zu haben. Als sie mir ihre Zwei-Zimmer-Wohnung, die nur mit einem Ölofen beheizt werden konnte, beschrieb, tauchten bei mir Erinnerungen an die katastrophalen Wohnverhältnisse meiner Zigeuneroma auf. Angela Bischof beklagte auch, dass sie zu alt wäre, um einen guten Job zu finden. Wegen ihrer Heirat vor fünfunddreißig Jahren hatte sie ihr Medizinstudium nicht abgeschlossen. Sie hatte jahrelang Sprechstundenhilfe und Assistentin für ihren Mann gespielt, war aber nicht ordentlich angemeldet gewesen.
    „Ob Sie es glauben oder nicht, ich liebe ihn noch immer“, sagte sie in weinerlichem Ton. Dann bat sie mich um noch ein Achterl.
    An Betrunkene darf kein Alkohol ausgeschenkt werden, dachte ich. Mittlerweile sah sie ziemlich mitgenommen aus. Ihr eher schmales, kantiges Gesicht wirkte ungesund aufgedunsen und ihre kurzen grauen Haare standen in alle Windrichtungen. Der Kragen ihrer teuren weißen Seidenbluse war nicht mehr ganz sauber. Auf ihrem Busen befanden sich Spuren ihres Mittagessens. Sie war nicht unhübsch. Sah für ihr Alter gut aus. War eher der sportliche Typ. Hatte aber etwas Verbissenes, Frustriertes an sich.
    Als sie mir lallend mitteilte, dass sie bis zu ihrer Scheidung strikte Antialkoholikerin und Vegetarierin gewesen wäre, bekam ich erst recht Mitleid mit ihr.
    Ich reichte ihr das fünfte Achterl und kümmerte mich dann nicht mehr um sie.
    Unsere Stammgäste waren inzwischen eingetroffen, verlangten nach ihren geliebten Burgern. Ich bekam gerade noch mit, wie Angela Bischof den Wein in ein paar Zügen hinunterstürzte und mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern das Lokal verließ.
    Ich war heilfroh, als wir um 24 Uhr zusperrten, genehmigte mir nun doch ein kleines Bier und rauchte eine letzte Zigarette.
    „Ciao, Nina, schlaf dich heut mal
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