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Das Schlangennest

Das Schlangennest

Titel: Das Schlangennest
Autoren: Anne Alexander
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1.
    Daphne Baker erwachte vom schrillen Läuten des Telefons. Schlaftrunken griff sie zum Hörer und meldete sich, doch dann war sie mit einem Schlag hellwach. "Was ist passiert, Laura?" fragte sie erschrocken, als sie die tränenerstickte Stimme ihrer älteren Schwester hörte. Mit der linken Hand schaltete sie Nachttischlampe ein.
    "Du mußt mir helfen, Daphne", schluchzte Laura Hammond. "R ichard ist tot. Er wurde erstochen. Er..."
    "Erstochen?" Daphne hielt den Atem an.
    "Ja." Ihre Schwester holte tief Luft. "Es ist so schrecklich. Was soll ich nur tun. Ich..." Ihre Stimme brach. Erst nach einigen Sekunden gelang es ihr weiterzusprechen. "Es war die Maud Willis. Ich habe sie mit eigenen Augen gesehen."
    Daphne zwang sich, ruhig zu bleiben. "Du willst doch nicht allen Ernstes behaupten, Maud Willis, oder vielmehr ihr Geist, hätte deinen Mann ermordet. Das ist... Laura, bist du dir sicher, daß Richard tot ist?" Nervös griff sie sich in ihre halblangen, schwa rzen Haare.
    "Ganz sicher", flüsterte Laura. "Er liegt vor dem Kamin. In seinem Rücken steckt mein Brieföffner. Es ist der Brieföffner, den du mir letztes Jahr aus New York mitgebracht hat."
    Daphne konnte sich sehr gut an den Brieföffner erinnern. Er wirkte wie ein kleines, reich verziertes Schwert. Trotz der lauen Sommernacht begann sie zu frieren. "Erzähl mir, was passiert ist, Laura", bat sie. "Jede Einzelheit ist wichtig." Ihre Schwester war schon immer ziemlich überspannt gewesen und hatte bereits als Kind oft in einer Phantasiewelt gelebt. Dinge, die sie sich nicht sofort erklären konnte, schrieb sie gerne übernatürlichen Einflüssen zu.
    Laura stieß heftig den Atem aus. "Mir ist so kalt", klagte sie. "Ich hätte meinen Morgenrock anziehen sollen, statt im Nach themd in die Bibliothek hinunterzulaufen."
    "Bitte, Laura", mahnte Daphne.
    "Also, ich wachte von einem unbestimmten Geräusch auf", begann ihre ältere Schwester. "Du weißt ja, daß Richard und ich seit Joyces Geburt getrennte Schlafzimmer haben. Ich blickte zur Verbindungstür, doch in Richards Zimmer schien alles dunkel zu sein. Plötzlich schwebte eine weiße Gestalt durch den Raum. Vor meinem Schreibtisch blieb sie stehen und griff nach dem Brieföffner. Ich wollte das Licht einschalten, aber die Lampe funktionierte nicht, außerdem war ich wie gelähmt vor Angst. Mein Herz klopfte so laut, daß es mir in den Ohren dröhnte. Langsam drehte sich die Gestalt um. Sie besaß weder Augen, noch Mund oder Nase, trotzdem lachte sie. Ich..." Laura holte tief Luft. "Ich bin noch nie sehr mutig gewesen. Ich zog mir einfach die Decke über den Kopf."
    "Bist du sicher, daß du diese Geschichte nicht nur geträumt hast, La ura?" fragte Daphne sanft.
    "Nein, es war kein Traum", erklärte ihre Schwester energ ischer, als es sonst ihre Art war. "Ein Traum wäre nicht so realistisch gewesen."
    "Schon gut, Laura. Was ist dann geschehen?" Daphnes Blick glitt zur Uhr. Es war kurz nach zwei.
    "Ich hatte schreckliche Angst", stammelte Laura. "Maud Willis hat schließlich schon Richards erster Frau den Tod gebracht. Auch ihr soll sie erschienen sein. Ich... Ich machte mir plötzlich Sorgen um Richard, obwohl er es nicht verdient hat. Ich stand auf und ging in sein Zimmer hinüber. Sein Bett war unberührt. Also lief ich in die Bibliothek hinunter, um nach ihm zu sehen. Du weißt ja, daß er oft ganze Nächte in der Bibliothek verbringt und in den alten Büchern liest. Mein Mann... das Licht brannte. Gleich als ich die Tür öffnete, sah ich Richard vor dem Kamin liegen. Ich rannte zu ihm, kniete mich neben ihn. Ich wollte den Brieföffner aus seinem Rücken ziehen, aber als ich ihn berührte, brachte ich es nicht fertig. Es... Daphne, du mußt mir helfen. Du..."
    "Weiß schon jemand, daß dein Mann tot ist, Laura?" Daphne bemühte sich, ihre Stimme so geschäftsmäßig und kühl wie mö glich klingen zu lassen. Sie konnte ihrer Schwester nur helfen, wenn sie nicht auch noch die Nerven verlor.
    "Nein." Laura schluckte. "Es ist so schrecklich. Nicht, daß mir Richard auch nur noch das Geringste bedeutet hätte, nach allem, was er mir in den letzten Jahren angetan hat, aber... Daphne, er ist tot. Er..." Ihre Stimme überschlug sich fast.
    "Laura, bitte, nimm dich zusammen. Als erstes mußt du jetzt die Polizei anrufen. Das ist ungeheuer wichtig. Dann..."
    "Ich weiß nicht, ob ich das kann, Daphne", schluchzte Laura. "Ich bin hier so schrecklich alleine. Ich brauche dich. Nur du kannst mir helfen. Nur
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