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Schön tot: Ein Wien-Krimi (German Edition)

Schön tot: Ein Wien-Krimi (German Edition)

Titel: Schön tot: Ein Wien-Krimi (German Edition)
Autoren: Edith Kneifl
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ordentlich aus“, sagte Diana. Obwohl ich großen Wert auf meinen majestätischen Vornamen Katharina legte, hatte ich mich inzwischen daran gewöhnt, dass mich manche meiner Kolleginnen Nina nannten.
    Nachdem alle gegangen waren, schaltete ich The Wall, die lange EDV-gesteuerte Lichtwand mit den ständig wechselnden Farbeffekten, aus und verließ das Lokal durch den Seiteneingang.
    Die Tür der Damentoilette, die von Mona Lisas hübschem Antlitz geschmückt wurde, stand einen Spalt offen. Drinnen brannte kein Licht.
    Da die Zeitungskolporteure und Rosenverkäufer mit Vorliebe unsere Toiletten, leider auch die Damentoilette, benützten, stieß ich die Tür ganz auf. Schließlich wollte ich niemandem zu einer unfreiwilligen Nacht im Schlossquadrat verhelfen.
4
    Das erste, was ich sah, war ein Traum von einem bordeauxroten Lackschuh mit zehn Zentimeter hohem Bleistiftabsatz.
    Ich machte Licht. Und da lag Kaiserin Sisi in einem langen weißen Kleid zusammengekrümmt auf den kalten Fliesen. Ihr lockiges braunes Haar, das ihr fast bis zum Po reichte, war zerzaust. Kleine blitzende Sternchen waren auf dem Boden verstreut.
    Die falsche Kaiserin stöhnte leise. Ich beugte mich zu ihr hinunter. Berührte sie ganz sanft an der Schulter. Schaudernd starrte ich auf das Blut an meinen Fingern.
    Als ich Schritte vernahm, warf ich einen Blick hinaus in den Durchgang. Eine dunkle Gestalt bog um die Ecke Richtung Silberwirt. Ich wollte hinterherrennen. In diesem Augenblick begann die Frau zu meinen Füßen erbärmlich zu jammern. Unschlüssig, ob ich der Gestalt folgen sollte, fragte ich: „Soll ich die Rettung anrufen oder können Sie allein aufstehen?“
    „Ich schaff’s schon“, sagte sie. Griff nach meiner Hand und ließ sich von mir hochziehen.
    „Oh mein Gott, Orlando?“, rief ich verblüfft, als ich die junge Frau, die ein junger Mann war, in den Armen hielt.
    „Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Sisi“, sagte er mit schwacher Stimme. „Ach, du bist es, Katharina. Hab ich ein Glück!“
    Verwirrt betrachtete ich das stark geschminkte Gesicht. Orlando war ein schlanker, dunkelhaariger Mann Ende zwanzig. Seine graugrünen, leicht schräg stehenden Augen ähnelten meinen und verliehen ihm etwas Exotisches.
    Ich hatte ihn vor einem Jahr im Barkeeper-Kurs kennengelernt. Nach dem Kurs hatte ich Orlando öfter im Cuadro oder im Filmcasino getroffen. Wir waren zwar nicht eng miteinander befreundet, verstanden uns aber recht gut. Gingen gern miteinander ins Kino. Und waren uns einig, dass das Filmcasino in Margareten das interessanteste Arthouse-Kino der Stadt war. Seit ein paar Wochen arbeitete er im Motto hinter der Theke. Dass er schwul war, wusste ich. Dass er auch Transvestit war, überraschte mich. Er könnte locker als jüngere Schwester von Kaiserin Sisi durchgehen, dachte ich.
    Ich fand Orlando witzig, wenn auch manchmal ein bisschen zickig. Da ich wusste, dass er in der Reinprechtsdorferstraße wohnte, fragte ich mich, was er um diese späte Stunde im Schlossquadrat zu suchen hatte. Noch dazu in diesem Aufzug.
    „Wie schaust du denn aus? Der Fasching ist längst vorbei!“, sagte ich in scherzhaftem Ton.
    Unverständliches Krächzen. Schlagartig war ich wieder ernst.
    „Halt durch, Orlando. Sprich mit mir! Ich rufe sofort die Rettung.“
    „Keine Rettung, keine Polizei. Ich will mit den Bullen nichts zu tun haben“, sagte er laut und in energischem Ton. „Dieser Wahnsinnige hat mich nicht schwer verletzt. Meine rechte Schulter und der rechte Arm tun mir weh, aber sonst bin ich okay. Der Typ war wirklich irre. Hat mit einem Ice Pick auf mich eingehackt.“
    „Womit?“
    „Na mit so einem Ding, das man früher zum Zerstoßen von Eis verwendet hat. Eine mörderische Waffe, ich sag’s dir …“
    „Basic Instinct?“
    „So ähnlich. Nur hatte der Ice Pick, mit dem ich attackiert worden bin, sechs Zacken. Zum Glück hat der Kerl nur meinen Busen damit zerfetzt. Meine Brustprothese“, fügte er erklärend hinzu. „Die habe ich bei Midinette gefunden. War nicht teuer. Der Laden von Frau Klaric ist echt ein Wahnsinn. Ich werde in Zukunft alle meine Klamotten bei ihr kaufen …“ Er redete wie aufgezogen, stand unter Schock.
    Vorsichtig knöpfte ich sein blutbeflecktes weißes Kleid auf und machte seinen Oberkörper frei. Er hatte eine kleine, aber böse aussehende Fleischwunde unter der rechten Schulter. Meine zahlreichen Cousins in den Staaten waren öfters in ehrenvolle Messerkämpfe verwickelt gewesen.
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