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Schön tot: Ein Wien-Krimi (German Edition)

Schön tot: Ein Wien-Krimi (German Edition)

Titel: Schön tot: Ein Wien-Krimi (German Edition)
Autoren: Edith Kneifl
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Daher kannte ich mich mit Stichwunden ein wenig aus, wusste, dass sie sehr tief sein konnten, auch wenn sie nicht so aussahen.
    „Zuerst müssen wir die Blutung stillen“, sagte ich. Riss ein Stück vom Saum seines dünnen Kleides ab, drückte es auf die Wunde. „Halt das fest. Ich hole Verbandszeug.“
    „Und wenn der Mörder zurückkommt? Lass mich nicht allein!“, schrie er.
    Ich half ihm aufzustehen.
    „Verdammte Scheiße“, fluchte ich, als sein Blut auf meine Jacke tropfte. „Hab ich nicht gesagt, du sollst den Fetzen fest auf die Wunde drücken?“
    „Fetzen? Das ist ein Dreihundert-Euro-Kleid!“, empörte sich Orlando.
    Ich schleppte ihn ins Cuadro und setzte ihn auf einen der bequemen Stühle im vorderen Teil des Lokals.
    „Mach ja kein Licht an!“, ermahnte er mich.
    „Ich muss in den Keller“, sagte ich. „Keine Angst, ich sperre dich ein“, fügte ich rasch hinzu.
    Als ich mit dem Weingeist, den wir im Winter für den Punsch verwendeten, zurückkam, griff er sofort nach der Flasche.
    „Spinnst du? Willst du dich selber umbringen? Der ist zum Desinfizieren.“
    Bevor er protestieren konnte, leerte ich ihm den reinen Alkohol auf die Wunde. Er brüllte vor Schmerz. Schnell drückte ich eine Stoffserviette drauf.
    „Halt still“, fauchte ich ihn an, obwohl mir bewusst war, dass der Weingeist höllisch brannte.
    Bevor ich ihm mit Hilfe zweier weiterer Servietten einen sehr provisorischen Druckverband machte, legte ich ihm die Salbeiblätter, die ich gerade im Kräutergarten gepflückt hatte, auf die Wunde. Meine Oma hatte mir immer Salbeiblätter aufgelegt, wenn ich mir als Kind die Knie aufgeschürft hatte.
    „Geht’s wieder? Okay, dann bring ich dich jetzt nach Hause“, sagte ich.
    „Um Himmels willen, nein! Der Killer weiß bestimmt, wo ich wohne. Er hat meine Brieftasche mitgehen lassen. Da waren meine Visitenkarten drinnen. Willst du, dass er sein Teufelswerk beendet?“, kreischte er. „Kann ich nicht bei dir pennen?“
    Ich war zwar nicht gerade begeistert von der Vorstellung, heute Nacht einen verletzten Transvestiten bei mir zu beherbergen, da er sich aber weiterhin dagegen verwehrte, dass ich einen Arzt oder gar die Polizei anrief, packte ich ihn um die Taille und schleppte ihn bis zu mir nach Hause in die nahe gelegene Franzensgasse. Wir mussten immer wieder stehenbleiben. Mittlerweile schien er große Schmerzen in der Schulter zu haben. Wir brauchten fast eine Viertelstunde bis zu meiner Wohnung.
    Zuhause sah ich mir seine Verletzung genauer an. Die Stoffservietten, die ich in sein Korsett gestopft hatte, waren blutdurchtränkt. Es war mir aber wenigstens gelungen, die Blutung zu stillen.
    „Du wirst die Wunde nähen lassen müssen.“
    „Ich werde nicht bis ans Ende meiner Tage mit einer hässlichen Narbe herumrennen. Kommt überhaupt nicht in Frage“, fauchte er mich an. „Ich könnte mich ja nie mehr in einem Muscle-Shirt sehen lassen, geschweige denn nackt.“
    „Wenn du’s nicht nähen lässt, wirst du eine noch viel hässlichere Narbe kriegen. Aber warten wir’s ab, wie die Wunde morgen aussieht.“
    Ich half ihm, das eng geschnürte Korsett, das ebenfalls zerrissen und voller Blut war, auszuziehen.
    „Wie konntest du überhaupt atmen?“, fragte ich.
    „Ich habe leider keine solche Wespentaille wie Sisi.“
    „Die war genauso geschnürt.“
    „Na eben!“
    Ich hielt es für sinnlos, mit ihm weiter über dieses Thema zu diskutieren, und verband ihn.
    Nach einem doppelten Espresso und einer Zigarette richtete ich ihm mit Hilfe eines Küchensessels auf der Chaiselongue neben dem Kamin ein Notbett. Mangels eines Schmerzmittels schenkte ich ihm einen doppelten Whisky ein.
    „Oh, ein Jameson. Mein Lieblingswhisky!“
    „Nicht nur deiner. Auch Samuel Beckett soff am liebsten Jameson.“
    „Wer?“
    „Egal. Willst du dich nicht endlich hinlegen?“
    Orlando dachte nicht im Traum daran, sich hinzulegen. Kaffee und Whisky schienen ihn richtig wiederbelebt zu haben.
    „Wie groß bist du?“, fragte er völlig unvermittelt.
    „1,76. Warum?“
    „Der Täter war etwa so groß wie du und hatte auch ungefähr deine Statur, schlank, aber kräftig. Er trug eine anthrazitfarbene Daunenjacke, schwarze Hose, schwarze Handschuhe und hatte eine altmodische schwarze Skimütze auf. Ich konnte nur seine Augen und die Hälfte seiner Nase sehen. Es ging alles sehr schnell. Ich glaube, er hatte dunkle Augen. Ich habe eh noch versucht abzuhauen. Diese verflucht geilen Schuhe
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