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Fuer Wunder ist es nie zu spaet

Fuer Wunder ist es nie zu spaet

Titel: Fuer Wunder ist es nie zu spaet
Autoren: Emma Hamberg
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    E igentlich ist doch alles perfekt.
    Maja sinkt noch tiefer in den durchgesessenen Diwan. Sie
zieht die Decke fester um den Körper, lässt aber die eine Hand herausschauen,
in der sie eine kleine Lakritzpfeife hält, an der sie lutscht.
    Wie alt mag der Diwan sein? Hundertfünfzig Jahre? Der glänzende
Goldstoff, in den Affen mit kleinen roten Jäckchen und Pillboxhüten eingestickt
sind, wirkt ziemlich abgewetzt. Der Diwan befand sich schon im Schloss, als sie
hier einzogen. Als Pelle das Schloss, den Garten, den Pool, die Orangerie, das
Labyrinth, den Steinbruch – genauer gesagt, die ganze verdammte Insel kaufte.
Hjortholmen.
    Dieser Gabriel Burenstam, der sich vor dreihundert Jahren auf der
kleinen Insel mitten im Vänersee ein romantisches Sommerschloss baute, der
wusste, was er tat. Ein Schlösschen mit nur fünfundzwanzig Zimmern. Na ja, für
den Sommer wollte man eben nur etwas ganz Einfaches haben. Es ist rosa, mit
Marmorsäulen, bestimmt durch irgendeine Italienreise inspiriert. Das ganze
Gebäude wirkt leicht und luftig. Keine schweren Farben, kein schweres Tuch. Die
hellen Säle mit den ewig langen Fensterreihen waren seinerzeit bestimmt voller
Gefühle und Dienstboten, Bälle und Geplauder. Heute herrscht fast überall
gähnende Leere.
    Der Garten hingegen, der ist alles andere als minimalistisch oder
leer. Der ist der absolute Wahnsinn. Fünf Meter hohe Birnenspaliere ziehen sich
wie knotige Kandelaber an den Schlosswänden entlang. Sie tragen immer noch
Früchte, und obwohl sich fünfzig Jahre lang niemand um die Bäume gekümmert hat,
zergehen die Birnen von der Sorte Doyenné du Comice wie Butterkaramell auf der
Zunge. Ein Apfelhain mit Åkerö, Astrakan, Gyllenkrok, Sävstaholm und
Melonenäpfeln. Kletterrosen, Buschrosen, doppelblütige rote Pfingstrosen,
blauvioletter Eisenhut, verschiedene Fliedersorten, Rhododendren und im
mannstiefen Teich alle möglichen Arten von Seerosen. Walnussbäume, die immer
noch Nüsse tragen, weiße Maulbeerbäume, riesige Thujen und Douglastannen.
    In einiger Entfernung vom Schloss lässt sich sogar ein Arboretum
erahnen. Eine Baumsammlung. Die sieht aus wie ein ganz normales Stückchen
Laubwald, abgesehen davon, dass alle Bäume von unterschiedlicher Sorte sind.
Aber das kann ohnehin nur ein geschultes Auge erkennen.
    Die Orangerie, die früher mal stattlich war, ist jetzt ziemlich
verfallen. Der Wein rankt wild durch Fenster und Türen. Als könnte er sich
nicht entscheiden, ob er lieber draußen oder drinnen wäre. Bestimmt an die
zwanzig verschiedene Traubensorten mäandern da vor sich hin.
    Und natürlich das Labyrinth aus Hainbuche, durch das sich die Frauen
und Männer jener Zeit in raschelnden Sommerkleidern jagten. Wo sie sich
heimlich küssten oder einfach nur eine Weile allein spazieren gingen, um die
Zeit auf der Insel herumzubringen. Jetzt kann man kaum mehr erkennen, dass
diese Ansammlung von Gestrüpp früher mal ein Labyrinth war.
    Hinter dem Schloss liegt der Pool. Ein Kunstwerk aus Mosaik: an den
Innenwänden Seejungfrauen, Delfine, Schiffe und kleine Fische, die aussehen,
als wären sie lebendig. Man glaubt fast, sie würden sich bewegen. Auf dem Grund
des Beckens, unter den vielen Blättern, befindet sich ein Kompass. Ein großer,
schimmernder Kompass, der alle Himmelsrichtungen des Lebens und der Erde
anzeigt. Nur, wie gesagt, man kann ihn momentan nicht sehen. Dafür sieht man
die Rutsche, die von Gabriel Burenstams ehemaligem Schlafgemach direkt in den
Pool führt. Er musste sich einfach nur aus dem Bett erheben, die Schlafmütze
abwerfen und sich ins Schwimmbecken stürzen. Hallihallo und guten Morgen, werte
Untertanen! Und platsch.
    Ja, die Oberschicht hat schon immer verstanden, sich zu amüsieren.
Damals noch viel mehr als heute. Eine Rutsche vom Schlafzimmerfenster in den
Pool! Das sollte eigentlich jeder haben, hat aber nicht jeder. Nur Maja und Pelle.
Die haben sogar ein eigenes Sommerschloss. Eine eigene Insel mit seinerzeit
eigens ausgesetzten Damhirschen, die der »Hirschinsel« ihren Namen gaben, und
mit glücklichen Seeadlern, die Hjortholmen niemals verlassen, sondern
Generation um Generation dort leben. Ein verfallenes Paradies.
    »Und jetzt ein kleiner Vormittagstee«, sagt Maja zum Eisbärenfell.
Ein riesiger Kopf mit scharfen Zähnen, die gleichzeitig lächeln und nach ihr
schnappen, und zusammengekniffenen Augen. Majas Bärenhöhle, so nennt Pelle ihr
Atelier. Das Problem ist nur, dass dieser Bär platt, tot
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