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Schön tot: Ein Wien-Krimi (German Edition)

Schön tot: Ein Wien-Krimi (German Edition)

Titel: Schön tot: Ein Wien-Krimi (German Edition)
Autoren: Edith Kneifl
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waren. Und ich würde deshalb so gern die passive Beobachterin spielen und mir dabei das Leben der anderen ausmalen, weil es mich davon abhalten würde, mein eigenes Leben zu leben. Wahrscheinlich hatte er Recht. Seit dem gewaltsamen Tod meiner Eltern vermied ich es tatsächlich, Verantwortung zu übernehmen, mich ernsthaft auf etwas einzulassen, sesshaft zu werden, wie man so schön sagt. Insofern wurde ich den Vorurteilen, die die meisten Menschen gegenüber meinen Roma-Vorfahren mütterlicherseits hatten, gerecht.
    Immerhin hatte ich mich auf ein Geschichtsstudium eingelassen und war nun also eine arbeitslose Magistra der Geisteswissenschaften. Eigentlich hatte ich vorgehabt, bis zu meinem Vierziger den Doktor zu schaffen. Doch das würde sich nicht mehr ausgehen. Ich wurde in zwei Monaten vierzig und hatte bisher kein spannendes Thema für meine Dissertation gefunden.
    Als ich vor dem Schlossquadrat stand, hatte ich plötzlich eine Art Geistesblitz. Vielleicht sollte ich über meinen neuen Arbeitsplatz forschen? Früher stand dort das Schloss Margareten. Nach einem fürchterlichen Brand im Jahre 1768 waren von dem Schloss nur ein paar Steinquader übrig. Zu Maria Theresias Zeiten war die Vorstadt spärlich besiedelt gewesen. Neben dem Schloss waren ein paar Bauernkaten gestanden. Weingärten, Maulbeerbäume und Safranwiesen hatten das Bild geprägt. Um von den kostspieligen Seidenimporten aus China unabhängig zu werden, hatte die clevere Kaiserin Maulbeerbäume pflanzen lassen. Im 18. Jahrhundert hatten sich Textilmanufakturen angesiedelt. All die prächtigen höfischen Gewänder waren in dieser Gegend produziert worden. Auch Ziegeleien und sogar eine Brauerei hatten sich hier niedergelassen, und Margareten hatte sich zu einem Arbeiterbezirk entwickelt.
    Je länger ich darüber nachdachte, desto überzeugter wurde ich, dass dieser Bezirk oder zumindest das Grätzl um den Margaretenplatz, das heute fast großstädtisches Flair ausstrahlte, durchaus ein interessantes Dissertationsthema abgeben würde. Aber vielleicht war das auch nur eine besoffene Idee.
    Ich musste dringend aufs Klo. Da ich nicht gut irgendwo am Straßenrand hinpinkeln konnte, überlegte ich, auf die Toilette des Cuadro zu gehen. Den Schlüssel für die Tore im Schlossquadrat hatte ich dabei. Die Lokale in diesem Häusergeviert waren durch Innenhöfe und Durchgänge miteinander verbunden. Man brauchte also nicht einmal auf die Straße hinauszugehen, um von einem Lokal ins andere zu gelangen.
    Den Schlüssel für den Durchgang hatte mir der Eigentümer nach dem Probemonat zukommen lassen. Bisher hatte ich meinen Chef noch nie persönlich zu Gesicht bekommen. Als ich im Jänner im Cuadro anfing, hatte er sich in Bali aufgehalten. Er war erst seit Kurzem wieder zurück. Meine Kollegen hatten mir natürlich einiges über ihn erzählt. So richtig schlau war ich bisher trotzdem nicht aus ihm geworden. Wahrscheinlich bezeichnete man ihn nicht umsonst als den „Schlossherrn“, den „heimlichen Bezirksvorsteher“ oder sogar als den „Kaiser von Margareten“. Immerhin hatte er das ganze Viertel aufgewertet, indem er seine Häuser von einem Architekten sehr behutsam sanieren hatte lassen.
    Ein lauter Knall riss mich aus meinen Gedanken. Eine riesige Stichflamme erleuchtete den Himmel über der Stadt. Das Feuer vermischte sich mit dem Morgenrot, tauchte die Umgebung in einen rotgoldenen Glanz.
    Ich wurde von einer Hitzewelle erfasst. Begann zu rennen, rannte auf die Margaretenstraße, achtete nicht auf den Verkehr. Erst das Quietschen der Reifen brachte mich zur Besinnung. Entsetzt bemerkte ich, dass ein Wagen knappe zehn Zentimeter vor mir zum Stehen gekommen war.
    Eine elegant gekleidete Dame mit modischer roter Brille stieg aus dem großen anthrazitfarbenen Skoda. Sie war kreidebleich im Gesicht.
    Bevor sie womöglich hysterisch herumzuschreien begann, sagte ich scharf: „Hier ist Tempo 50, Madame.“
    Sie schien nicht daran zu denken, mich anzuschnauzen, starrte nur gemeinsam mit mir entsetzt auf das in Flammen stehende Haus am Margaretenplatz.
    „Der erste Stock ist plötzlich in die Luft geflogen. Ich glaube, das war eine Gasexplosion“, sagte ich.
    „Oh Gott“, stöhnte sie und schlug die Hand vor den Mund.
    „Wir müssen sofort die Feuerwehr anrufen.“ Ich nahm mein Handy aus der Jackentasche. Vor lauter Aufregung wählte ich die Nummer der Rettung.
    Ein paar Minuten später traf die Feuerwehr ein.
    Die Frau an meiner Seite wollte
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