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Schön tot: Ein Wien-Krimi (German Edition)

Schön tot: Ein Wien-Krimi (German Edition)

Titel: Schön tot: Ein Wien-Krimi (German Edition)
Autoren: Edith Kneifl
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benachbarten Silberwirt zu genehmigen. Mein Magen verlangte nach etwas Deftigem. Die Eierspeise hatte ich schon wieder vergessen.
    Als ich den Margaretenplatz überquerte, warf ich einen Blick auf das ausgebrannte Haus. Das Parterre und der erste Stock waren völlig zerstört. Ein Dutzend Kolkraben tummelte sich auf der Brandruine, delektierte sich an verkohlten Überresten. Hoffentlich stammten sie nicht von einem Menschen. Plötzlich hatte ich wieder ein ganz flaues Gefühl im Bauch. Angeekelt wandte ich mich ab.
    Beim Silberwirt waren alle Tische besetzt. Mein Kellnerkollege Markus deckte für mich den kleinen Tisch gegenüber der Schank. Ich saß genau unter einer Vitrine mit „Les Misérables“, einer Plastik von Eva Schaerer, einer Studentin des berühmten österreichischen Bildhauers Alfred Hrdlicka. Nach dieser schlaflosen Nacht fühlte ich mich ähnlich wie die gequält dreinschauenden kleinen schwarzen Figuren.
    Ohne dass ich ihn darum gebeten hatte, brachte mir Markus mein Lieblingsbier. Das Margaretner Bier stammte aus der mährischen Stadt Iglau. Es schmeckte viel vollmundiger als viele der hiesigen Biere.
    „Geht auf Kosten des Chefs“, sagte er. „Der Stefan Gergely ist gerade rüber ins Hofstöckl gegangen, als du reingekommen bist. Er hat gemeint, du könntest heute sicher ein Bierchen vertragen.“
    „Warum spendiert mir der Gergely ein Bier? Der weiß doch gar nicht, wer ich bin“, sagte ich verwundert.
    „Er ist eben ein großzügiger Mensch. Und er kennt alle seine Angestellten, selbst wenn sie ihm noch nicht vorgestellt wurden“, sagte Markus mit einem verschmitzten Lächeln.
    „Ist im Hofstöckl heute wieder was los?“, fragte ich.
    „Ja, ein Parteigrande feiert seinen Abschied aus der Politik. Ganz exklusiv, im kleinen Kreis. Aber es sind alle da, nicht nur unser Stammtisch ist komplett vertreten, auch Bezirksvorsteher Wimmer und der Bürgermeister. Wir haben eine Hochrippe vom Angusrind, also ein leicht blutiges Festmahl für sie vorbereitet.“
    Ich wusste, dass im Hofstöckl, einem ebenerdigen Anbau im Innenhof, die Hausmeisterwohnung untergebracht gewesen war. Gergely hatte es Anfang der 90er zu einer Edelbrand-Bar umbauen lassen. Heute war es eher ein verschwiegenes Hinterzimmer für erlesene Festivitäten.
    Mit Politikern hatte ich nicht viel am Hut. In den Lokalen des Schlossquadrats verkehrten nicht nur prominente SPÖler, sondern auch ÖVPler und sogar Grüne. Ich behandelte diese Leute, wenn sie im Cuadro auftauchten, gleich wie alle anderen Gäste. Den Bezirksvorsteher von Margareten konnte ich jedoch gut leiden. Ich kannte ihn nicht persönlich, hatte nur mit ihm telefoniert, als mein Großvater einen Schlaganfall hatte. Kurt Wimmer verhalf ihm sofort zu einem Platz auf der Bettenstation im Haus Margareten, obwohl mein Großvater kein Parteimitglied war. Das rechnete ich ihm bis heute groß an.
    Meinem Opa schien es im Seniorenheim in der Arbeitergasse zu gefallen. Er konnte zwar nicht mehr sprechen, wirkte aber immer recht fidel, wenn ich ihn besuchte. Vielleicht sollte ich mich zeitgerecht um einen Platz dort bemühen? Denn wenn ich so weitermachte, würde ich bald selbst pensionsreif sein.
    „Mir ist heute nach einem herzhaften toskanischen Cordon bleu“, sagte ich zu Markus.
    Er war ein bisschen älter als die meisten anderen meiner Kollegen und der ruhende Pol in diesem Tollhaus. Das war mit ein Grund, warum ich mich so gut mit ihm verstand.
    Markus erzählte mir, dass am späten Vormittag ein Polizeibeamter beim Silberwirt reingeschneit und sich angeblich bei Stefan – er meinte Gergely – nach mir erkundigt hatte. Von den fünfundvierzig Angestellten im Schlossquadrat waren anscheinend alle mit dem Chef per Du. Nur ich nicht.
    Kaum hatte ich fertig gegessen, kam Küchenchef Rudi Kirschenhofer vorbei, der in allen vier Lokalen des Schlossquadrats das Regiment führte, und fragte mich: „Möchtest vielleicht eine Williamsbirne, damit du den Brandgeschmack aus der Kehle kriegst?“
    Ich schüttelte den Kopf. Anscheinend hatte es sich bereits herumgesprochen, dass ich in der Früh Zeugin der Gasexplosion gewesen war. Margareten war eben wirklich ein Dorf.
    „Nach dem Cordon geht’s mir eindeutig besser“, sagte ich grinsend und strich über meinen Bauch. „Am liebsten würde ich den Rest des Nachmittags hier verbringen. Bei diesem Sauwetter finde ich es im Silberwirt immer am gemütlichsten.“
    Das Lokal hatte schon über zweihundert Jahre auf dem Buckel,
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