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Schön tot: Ein Wien-Krimi (German Edition)

Schön tot: Ein Wien-Krimi (German Edition)

Titel: Schön tot: Ein Wien-Krimi (German Edition)
Autoren: Edith Kneifl
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hatte sich aber bestens gehalten. Verglichen mit vielen anderen Wiener Beisln wirkte der Silberwirt geradezu frisch und jugendlich. Früher war es ein typisches Arbeiterwirtshaus gewesen. Als Mitte der 90er-Jahre das große Beislsterben in Wien einsetzte, beschloss Stefan Gergely zu retten, was sich noch retten ließ. Er kaufte das alte, heruntergekommene Wirtshaus und ließ es sanft renovieren. Eigentlich hatte er damit die Beisl-Renaissance in Wien eingeleitet.
    Das alte Lokal hatte von seinem früheren Charme nichts eingebüßt, entsprach aber nun den heutigen Vorstellungen von Hygiene und Sauberkeit. Die Tische und die Budel waren aus dickem Ahornholz und genauso original wie die Hängelampe über dem Stammtisch. Auch in dem wunderschönen schattigen Gastgarten hatte sich nicht viel geändert. Nur die Markise war neu und erlaubte es den Gästen, auch bei leichtem Regen im Freien zu sitzen. Die hervorragende Wiener Küche und die gepflegten Weine lockten nicht mehr nur Arbeiter und Geschäftsleute an, sondern auch Künstler und Studenten. Am Sonntag gab’s den traditionellen Schweinsbraten frisch aus dem Rohr. Und auf der Speisekarte fand man sowohl den typischen Zwiebelrostbraten als auch die traditionellen Erdäpfeldatschi und überbackene Schinkenfleckerl.
3
    Ich ging schon etwas früher als nötig hinüber ins Cuadro. Der Durchgang vom Gastgarten des Silberwirts auf die Margaretenstraße entwickelte sich mittlerweile langsam zu einem kleinen Skulpturenpark. Der Chef hatte ein Herz für bildende Künstler, deren Kunstwerke er dann in seinem Schlossquadrat präsentierte.
    Wie immer war ich in Versuchung, dem im Durchgang aufgestellten „blinden Musiker“, einer mannsgroßen Statue aus Pappelholz von Jan Schneider, einem anderen Hrdlicka-Schüler, ein paar Cent zu geben.
    Genauso erging es mir jedes Mal, wenn ich bei der U-Bahn-Station Pilgrambrücke eine bettelnde Romni mit einem Kleinkind sah. Ihr Anblick löste bei mir das Gefühl von Beklemmung und gleichzeitig Schuldbewusstsein aus. Einerseits empfand ich Mitgefühl, andererseits ohnmächtige Wut. Ich schaffte es nie, an diesen Frauen vorbeizugehen, ohne etwas zu geben. Natürlich wusste ich, dass ein Großteil des erbettelten Geldes bei kriminellen Organisationen landen würde. Aber ich wusste auch über die Situation der Roma in der Slowakei und in anderen osteuropäischen Ländern Bescheid: ein Leben im Müll am Rande der Großstädte oder in Elendssiedlungen am Land, ohne Kanalisation und elektrischen Strom. In den heruntergekommenen Stadt-Ghettos überlebte man höchstwahrscheinlich leichter. Die Lebenserwartung der Roma war sowieso extrem niedrig, betrug im Durchschnitt etwa fünfzig Jahre. Meine Mutter war eine Romni gewesen, und sie war nicht einmal fünfzig geworden.
    Das Cuadro erinnerte mich vom Styling und Ambiente her an mein Lieblingscafé in New York in der Prince Street. Wahrscheinlich hatte ich mich auch deshalb hier um einen Job beworben.
    Die Gasexplosion in nächster Nachbarschaft war heute, sowohl vor als auch hinter der Theke, Thema Nummer eins. Inzwischen war allgemein bekannt, dass die Gasleitung in dem alten Haus manipuliert worden war. Bei dem Todesopfer handelte es sich um eine junge Frau aus dem Kosovo, die frühmorgens die Praxis von Doktor Bischof geputzt hatte. Als sie sich eine Zigarette angezündet hatte, war das Haus in die Luft geflogen.
    Meine Kollegen hielten sich mit Spekulationen zurück. Viele von ihnen kamen aus den Nachbarländern und bedauerten die junge Serbin.
    Zurzeit arbeiteten Angehörige aus zwölf verschiedenen Nationen in den Lokalen des Schlossquadrats. Die früheren Bemühungen der Wiener Stadträtin Renate Brauner um eine bessere Integration der Immigranten waren also nicht überall gescheitert. Zumindest bei uns funktionierte die Zusammenarbeit zwischen Polen, Tschechen, Kroaten, Italienern und Österreichern so halbwegs. Der Gergely war angeblich selbst ein richtiges k.u.k.-Kind. Seine Vorfahren waren Sudetendeutsche, Ungarn, Galizier und Italiener gewesen. Vielleicht hatte er auch deswegen kaum Probleme mit seinem internationalen Personal?
    Wenigstens die Einwanderer verstehen sich untereinander, dachte ich grinsend, als mir meine Kollegin Diana, die aus Polen stammte, die Hemingway-Minze für einen Mojito reichte. Wir verwendeten für den Mojito ausschließlich drei Jahre alten kubanischen Rum und die Hemingway-Minze aus unserem hauseigenen Kräutergarten. Auch so ein Spleen von unserem
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