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098 - Die Blutfurie

098 - Die Blutfurie

Titel: 098 - Die Blutfurie
Autoren: A.F.Morland
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Jenny McGraw trocknete ihren schlanken Körper mit dem Handtuch ab. Dann trat sie vor den Spiegel, um sich aus der Nähe zu betrachten.
    Heute war sie zum erstenmal von einem Jungen geküßt worden, und es war himmlisch gewesen. Wenn sie jetzt daran dachte, wurden ihr immer noch die Knie weich.
    Gütiger Himmel, wenn ihr Vater und ihre beiden Brüder davon gewußt hätten, hätten sie den jungen Mann zusammengeprügelt. Dabei war die Initiative von ihr ausgegangen.
    Sie hatte endlich einmal wissen wollen, wie das ist. Ihre Freundinnen hatten alle schon mal geküßt und behaupteten, es wäre ähnlich wie ein Rausch. Aber nun wußte Jenny McGraw, daß es noch viel schöner war.
    Sie mochte diese angenehme Erfahrung nicht missen, und bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit würde sie sich wieder küssen lassen. Das gehörte einfach mit zum Leben eines siebzehnjährigen Mädchens, fand sie.
    Jenny wollte ihrem Vater und ihren Brüdern keinen Kummer machen. Aber sie hielten sie fast wie eine Gefangene, und das gefiel ihr nicht.
    Alles wäre anders gewesen, wenn sie noch eine Mutter gehabt hätte, aber die war bei ihrer Geburt gestorben, und so wurde sie von Männern mit übertriebenem Eifer und Strenge erzogen, denn die McGraws waren zwar arm, aber niemand sollte sagen können, sie achteten nicht auf Anstand und Moral.
    Armut war keine Schande. Doch mit der Schmach, daß jemand hätte behaupten können, daß Jenny McGraw ein Flittchen sei, hätten sie nicht leben können.
    Es war eine milde Nacht, und Jenny spürte ein merkwürdiges Prickeln in ihren Gliedern. Sehnsüchte erwachten in ihr, die ihrer Familie nicht recht sein konnten. Wie lange sollten sie noch ungestillt bleiben? Das war doch gegen die Natur.
    Ein warmer Lufthauch strich zum offenen Fenster herein.
    Daß sich eine schlanke Frauengestalt über die Fensterbank schob, ohne das geringste Geräusch zu verursachen, fiel Jenny nicht auf.
    Für die Frau war sie ein Opfer! Eine ekelhafte Gier glitzerte in den blutunterlaufenen Augen der Vampirin. Sie trug ein einfaches blaugraues Kleid aus einem billigen Stoff, und ihr braunes Haar wirkte struppig.
    Ihre Gesichtsfarbe war ungesund grau. Wie eine wandelnde Leiche sah sie aus, und das war sie genau genommen auch, denn sie lebte seit vielen Jahren nicht mehr.
    War lange tot - und lebte doch!
    Höllenkräfte hatten aus der Frau eine Untote gemacht, ein ruheloses Schattenwesen, das das Sonnenlicht fürchten mußte und nachts das Blut von Menschen trank.
    Menschenblut - das war ihre Nahrung!
    Und hier würde sie sich wieder daran laben können!
    Vorsichtig näherte sie sich dem jungen Mädchen. Der Hunger ließ ihre Lippen zucken. Sie leckte darüber, und aus ihrem halb geöffneten Mund ragten zwei lange, spitze Eckzähne.
    Daß Jenny sie im Spiegel entdeckte, brauchte sie nicht zu befürchten, denn Vampire haben weder Spiegelbild noch einen Schatten. Erst wenn Jenny sich umdrehte, würde sie sie sehen, aber dann würde es für das Mädchen bereits zu spät sein.
    Männerlachen schallte durch das Haus. Das war Bartholomew McGraw, Jennys Vater, ein rauher Mann mit einem butterweichen Kern. Jenny liebte ihn, so wie auch ihre Brüder Jack und Herbert.
    Das Lachen veranlaßte die Vampirin, stehenzubleiben. Sie stand mitten im Raum, als wäre sie zur Salzsäule erstarrt, und ihr fahles Gesicht verzerrte sich zu einer haßerfüllten Fratze.
    Sie wußte, daß die McGraws gut auf dieses junge Mädchen aufpaßten, daß Jenny bei Anbruch der Dunkelheit nicht mehr das Haus verlassen durfte.
    Gerade das reizte die Untote, sich Jenny McGraw zu holen. Wenn sie wollte, konnte sie dem Mädchen den Vampirkeim einpflanzen, und genau das hatte sie vor.
    Mit polternden Schritten stieg Bartholomew McGraw die Treppe hoch. Jack und Herbert befanden sich noch unten in der Wohnküche.
    »Macht nicht zu lange, ihr Nachtfalter!« rief Jennys Vater. »Ihr müßt morgen zeitig aus den Federn.«
    Er erreichte das Obergeschoß und blieb vor Jennys Tür stehen. Als er klopfte, ging ein heftiger Ruck durch den Körper der Blutsaugerin.
    »Jenny?« rief Bartholomew McGraw durch die Tür.
    »Ja, Vater?« Jenny sah zur Tür, aber sie drehte sich nicht vollends um.
    »Gute Nacht, mein Kleines«, sagte der Mann.
    »Gute Nacht, Dad«, gab Jenny zurück.
    Bartholomew McGraw ging weiter, und die Vampirin entspannte sich wieder. Jenny griff nach ihrem Flanellnachthemd und zog es über den Kopf.
    Die Vampirin kam näher, und als sich Jenny McGraw ahnungslos
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