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Schnittstellen

Schnittstellen

Titel: Schnittstellen
Autoren: Anja Abens
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zurück an die Schule. Ich bin mir absolut sicher, ich möchte definitiv studieren, und dafür brauche ich mein Abitur. Beim Bestatter ist es langweilig, ich kann über nichts nachdenken, mein Kopf wird da nur leer, matschig und depressiv. Ich möchte mein Abitur machen, um anschließend studieren zu können.«
    Meine Eltern schauen mich erst einmal nur an. Geschockt, erstaunt, überrascht?
    »Aber du wolltest nie wieder zur Schule, wieso nun doch? Du warst doch so begeistert von der Vorstellung, die Ausbildung machen zu können. Den Führerschein … Du hast doch so davon geschwärmt und die Schule verflucht. Was ist jetzt los?«
    Ich erkläre, dass ich tatsächlich nicht zur Schule wollte, aber dass ich das im Zuge der Ausbildung auch wieder müsste und dass an der Berufsschule sicher viele älter wären als ich und dass ich daher die Zeit, die ich sowieso in irgendeiner Schule verbringen muss, lieber für das Abitur nutzen möchte. Meine Mutter meint, sie würde verstehen, dass ich zu wenig für mein Gehirn bekäme, das hätte ich ihr ja bereits erzählt und sie hätte das sehr gut nachempfinden können. Dennoch scheint sie nicht sehr überzeugt; aber anstatt wütend zu werden, sieht sie nur nachdenklich aus. Mein Papa seufzt und wirkt etwas grummelig, aber er wartet generell immer lieber ab, was die Wortwechsel zwischen meiner Mutter und mir ergeben, bevor er seine Meinung kundtut. Nach längerem Hin und Her einigen meine Eltern und ich uns darauf, dass ich mir noch ein, zwei Tage Gedanken mache. Das ist in Ordnung, die ein, zwei Tage kriege ich auf die Reihe, kein Thema. Die Schule fängt ja blöderweise erst wieder im Sommer an, auch ein Grund, der für meine Mutter gegen einen Abbruch der Arbeit beim Bestatter spricht, ich hätte dann wieder mehrere Wochen Sendepause. Aber immerhin erklären sich meine Eltern nach meinen tausendmaligen Versicherungen und meiner Wiederholung aller möglicher Argumente, die für mich gegen die Ausbildung sprechen, dazu bereit, mir meinen Wunsch zu erfüllen, sofern ich ihn in ein paar Tagen noch haben sollte. Das erleichtert mich unglaublich. Nach dem anstrengenden Gespräch bleibe ich noch bei meinen Eltern sitzen und frage, ob sie noch was vorhätten oder ob meine Mutter vielleicht ein Spiel mit mir spielen möchte? Ich will ihnen nach ihrem Entgegenkommen auch ein bisschen etwas zurückgeben und mich für total glücklich-familiäres Programm offen zeigen, meine Mutter macht das immer froh, wenn die Familie zusammen etwas Schönes macht. Sie haben aber keine Zeit, daher gehe ich erst mal wieder an meinen PC und kann Joker direkt von meinem kleinen Erfolg berichten. Der freut sich natürlich riesig für mich.
    Anja
    Endlich ist es raus. Es ist ja so unglaublich. Meike war die ganze Zeit so niedergeschlagen, weil sie uns nicht sagen wollte, dass sie wieder in die Schule gehen möchte. Wie verrückt! Etwas Besseres könnte sie uns doch gar nicht erzählen. Dass der Ausflug ins Berufsleben ihr gezeigt hat, was sie wirklich will, toll!
    Herrn Kuckensiel ihren Entschluss mitzuteilen wird ihr noch einmal einiges abverlangen. Er war wirklich wie ein zweiter Vater zu ihr, es wird eine herbe Enttäuschung für ihn sein, dass sie die Ausbildung nicht machen will. Puh, das finde ich auch am unangenehmsten an der ganzen Angelegenheit, aber das geht schließlich nicht, dass man einen falschen Weg einschlägt, um die Erwartung eines anderen zu erfüllen. Natürlich fragen wir nach, wie Meike sich das mit dem Klausurenstress jetzt vorstellt. Hat sich da wirklich etwas in ihrer Haltung geändert? Offensichtlich hat sie im Internet Gesprächspartner gefunden, mit denen sie sich über Probleme aller Art austauscht, was auch ihren Blick auf die Schule etwas beeinflusst. Sie schätzt die Schwierigkeit ziemlich realistisch ein. Sie meint, dass da bestimmt wieder etwas auf sie zukommt an Ängsten, aber dass sie damit anders umgehen wird. Ich glaube ihr das. Sie soll sich nur ganz sicher sein und nichts überstürzen.
    Meike
    Ich brauche keine Bedenkzeit. Ich sage »Ja, ja, ja!« zur Schule. Natürlich habe ich meine alten Probleme. Kontakt zu anderen, bei der Schule vorsprechen. Igitt! Deshalb bin ich heilfroh, dass die erste Schule, an der ich mich bewerbe, mich für das neue Schuljahr annimmt. Ich wollte mich nur bei einer bewerben. Es ist eine Gesamtschule, die den Namen der Hexe von Köln trägt. Ich finde, das ist ein gutes Omen.

11. KAPITEL
    Anja
    Das hätte ich nicht gedacht. Hier sitzen
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