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Schneenockerleklat

Schneenockerleklat

Titel: Schneenockerleklat
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Dionys, dem Tyrannen, schlich Matt Damon, den
Dolch im Gewande«, nein, das war nur ein Scherz, den er von Harry hatte.
    Und wie wars mit ganz klassischer Bildung? Aurea prima sata
est aetas, quae vindice nullo, also den Anfang des Goldenen Zeitalters, konnte
er vielleicht noch zitieren, schreiben aber schon nicht mehr. Und vor allem,
der ganze Mist lenkte ihn so überhaupt nicht von der Prima Causa ab.
    Westphal hatte eben einen Anruf bekommen. Er deutete
Palinski, aufzustehen, und dann vier mal zehn und einmal drei Finger. Na,
endlich tat sich etwas.
    Wann rief denn dieser Brandtner an?

     
    *

     
    Eine gewisse Nervosität hatte den Auftraggeber
den ganzen Tag über begleitet. Nun ja, es war sicher nicht jedermanns Sache,
einen erteilten Mordauftrag schließlich selbst auszuführen. Sich sozusagen
selbst beauftragt zu haben.
    Die Umstände und der Zeitdruck hatten ihn dazu gezwungen, und
er hatte die Herausforderung hervorragend bewältigt.
    Jetzt, nachdem er eingecheckt und sein Gepäck der
›freundlichen Luftlinie‹ anvertraut hatte, fühlte er sich etwas besser.
Entspannter, relaxed. Zwar musste er noch durch die Passkontrolle, aber in
Schengenland war das für ihn als EU-Bürger eine reine Formsache.
    Und dann up and away, und London hatte ihn wieder.
Freundliches Desinteresse an der Passkontrolle, dann rasch ein paar Besorgungen
im Duty-free-Shop gemacht. Wie hieß noch das Lieblingsparfum von Nicoletta? War
es ›Calèche‹ oder ›Chanel‹? Er versuchte, sich zu erinnern, womit er seiner
Sekretärin eine Freude machen konnte. Er war nicht imstande, sich diese
dekadenten Bezeichnungen der Franzmänner zu merken.
    Da war es mit Mitbringseln für Tante Mary schon einfacher.
Sie liebte dieses ›4711‹, keine Ahnung, was die alte Dame an dem Duftwässerchen
der Krauts so begeisterte.
    So, und jetzt noch ein paar schöne fette Coronas Reales für
Daddy, und dann nichts wie weg.
    Je mehr sich der Auftraggeber Gate 43 und damit
dem Moment näherte, österreichischen Boden zu verlassen, desto mehr redete sich
sein übersteigertes Ich ein, das perfekte Verbrechen abgeliefert zu haben. Nun,
vielleicht nicht das ganz perfekte, aber zumindest sehr nahe daran. Er war auch
schon immer der Ansicht gewesen, dass nur Fachleute, also Kriminalpolizisten,
in der Lage waren, etwas derart Perfektes zu erbringen. Das war genauso wie bei
einer grandiosen Brandstiftung. In diesen Fällen war auch immer die Kompetenz
eines Feuerwehrmannes am Werk gewesen.
    Kurz vor dem letzten Richtungswechsel vor dem Gate war der
Auftraggeber direkt versucht, seiner an Euphorie grenzenden Stimmung irgendwie
Ausdruck zu verleihen. Er wollte singen, tanzen, irgendwie …
    Plötzlich fiel aber alles von ihm ab wie die trockenen Nadeln
vom Weihnachtsbaum nach dem Heiligen Dreikönigstag. Und der Schreck verursachte
das Gefühl bei ihm, eine abrupte, unkontrollierbare Darmentleerung stünde
unmittelbar bevor.
    Was machte dieser Scheißkerl hier?
    Wie sollte er sich jetzt verhalten, außer die Arschbacken
ganz fest zusammenzupressen?

     
    *
    Als Palinski den vermutlichen Mörder, immerhin
galt ja die Unschuldsvermutung bis zum Beweis des Gegenteils, erblickte,
versuchte er, einen überlegenen Eindruck zu machen. Er probierte es mit einem
Blick, der leicht spöttisch, vor allem aber souverän wirken sollte.
Bedauerlicherweise gesellte sich ungefragt noch eine gehörige Portion
Unsicherheit dazu, sodass der Gesichtsausdruck im Ergebnis leider etwas
dümmlich ausfiel. Aber das konnte Palinski nicht sehen.
    Während also dieser Mistkerl, dieser M…, Pardon,
vermutliche Mörder, sich Schritt für Schritt seiner Verantwortung entzog, wurde
Palinski wieder vorübergehend gläubig. In solchen Situationen ließ sich der
religiöse Ignorant gerne auf eine Art Zwiegespräch mit dem lieben Gott ein,
ganz so, wie er das schon als kleines Kind gemacht hatte.
    Ob es etwas nutzte, konnte er nicht sagen. Aber er hatte ein
gutes Gefühl dabei, und das war ja auch etwas wert. Normalerweise zumindest,
denn in der augenblicklichen Situation flehte er um nichts anderes, als dass
endlich dieses blöde Handy bimmelte und Brandtner das erlösende »Ja, er ist
es!« von sich gab. Und je länger dieses Ja nicht kam und sich der vermutliche
Mörder mit leicht frechem Grinsen im Gesicht immer weiter aus österreichischem
Hoheitsgebiet entfernte, desto schlechter fühlte sich Palinski.
    Einen möglicherweise letzten Gruß an
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