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Pennäler contra Pauker

Pennäler contra Pauker

Titel: Pennäler contra Pauker
Autoren: Jaroslav Zak
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Scholaludus

    Unter Uneingeweihten herrscht seit je die irrige Meinung vor, das Schulwesen, namentlich aber das höhere Schulwesen, sei eine segensreiche Einrichtung, wo Scharen junger, nach Wissen und Bildung schmachtender Menschen von opferfreudigen Männern und Frauen belehrt und erzogen würden. Von dieser falschen Voraussetzung gehen alle Reformer und Kämpfer für eine neue Oberschule aus, weshalb ihre Bemühungen zum Scheitern verurteilt sind. In Wirklichkeit ist die höhere Schule ein Turnierplatz, all wo das unterdrückte Schülervolk oder die Pennäler einen unversöhnlichen Kampf gegen die herrschende Kaste der Pauker oder Profaxen führt.
    In diesem Sinne ist auch der berühmte Ausspruch des Comenius «schola ludus» zu deuten, den man ungenau «Die Schule - ein Spiel» zu übersetzen pflegt. Es sollte richtig «Die Schule - ein Wettkampf» heißen, was gewiß für den Scharfblick des großen Erziehers spricht.
    Wäre die Schule wirklich eine Stätte, an der mit heiligem Ernst um Grundwahrheiten gerungen wird, wie naive Idealisten meinen, dann müßten die Schüler auf dem Heimweg etwa so ihr Wohlgefallen äußern: «Das war heute ein feiner Tag, nun haben wir wieder an Wissen zugenommen!» Und der Herr Studienrat, der zum Mittagstisch schreitet, brummte zufrieden: «Heute ist es mir geglückt! Das waren schöne, fruchtbare Unterrichtsstunden!»
    In Wahrheit brüstet sich der erfolgreiche Schüler: «Mensch, heut hab ich den Arschpauker ordentlich reingelegt.» Und der grausame Pauker prahlt im Lehrerzimmer: «Diesen Lausbuben von Neuwirt habe ich heute gehörig ausgequetscht. An der Tafel konnte er nicht mehr piep sagen, dem habe ich aber eine reingewürgt.»
    Der Schüler, der die Schlacht verlor, macht sich wie folgt Luft: «Der hat mich heute tüchtig in der Mangel gehabt.» Der Pauker, der einen Mißerfolg erlitt, beklagt sich ärgerlich: «Dieser Haderlump von Schulze ist mir heute durch die Latten gegangen. Aber ich werde ihn schon noch auf Herz und Nieren prüfen, und dann werden wir ja sehen...» Oder er stößt die dunkle Drohung aus: «Wenn ich den einmal erwische!»
    In diesem unversöhnlichen Ringen liegt alle Initiative auf seiten des Schülervolkes. Wenn wir erwägen, daß die Schulmeister mit so mächtigen und durchschlagenden Waffen wie der Zensur Ungenügend, auch Fleck oder Pinsch geheißen, ausgerüstet sind, dann begreifen wir wohl, welche Erfindungsgabe und welchen Unternehmungsgeist der wehrlose Pennäler entwickeln muß, um den Feind vernichtend zu schlagen. Hier gilt vor allem der bekannte sportliche Grundsatz: Mit geringster Anstrengung die größtmögliche Leistung. Nur ungewöhnlich gewissenhafte Jungen und Mädchen bereiten sich auf Dinge vor, die man ebensogut abschreiben kann. Eine derartige Energievergeudung erntet bei allen übrigen nur tiefste Verachtung.
    Welch verzwickte und geniale Vorkehrungen zur Überlistung der skrupellosen Schulmeister nötig sind, ersehen wir aus folgendem Beispiel. Der grausame Deutschprofessor, kurz «Prinz Eugen, der edle Ritter» genannt, empfahl der Aufmerksamkeit der Schüler das Lesestück: «Sobieski, der Sieger über die Türken.» Woraus zu schließen war, daß dieses Lesestück tags darauf als Klassenarbeit angesetzt werden würde. Also geschah es. Dabei ertappte der Professor den Schüler Krautmichel, wie er von einem herausgerissenen Blatt des Lesebuches, das er auf den Knien liegen hatte, abschrieb. Der Lehrer begab sich mit dem beschlagnahmten Spickzettel zur Tafel, wandte sich zufällig um, und siehe: Schüler Krautmichel zieht irgendein Blatt aus der Brusttasche. Der hartnäckige Deutschprofessor unternahm nun eine eingehende Durchsuchung und fand einen zweiten Durchschlag unterm Löschpapier und noch etliche im Heft, in der Bank, unter der Banktafel, im Schuh und in der Westentasche.

    «So, und nun arbeiten Sie!» sagte er triumphierend, nachdem er alle unerlaubten Hilfsmittel vernichtet hatte. Jetzt erst konnte Schüler Krautmichel ungestört von einem in Schönschrift beschriebenen Miniaturzettel abschmieren, den er im Handteller hielt und der mit einem Gummiband im Ärmel befestigt war. Hierzu ist zu bemerken, daß er lediglich aus sportlichen und Prestigegründen abschrieb, da er dank der mühsamen Anfertigung mehrerer Abschriften das Lesestück so gut wie auswendig konnte. Wie das Beispiel zeigt, geht es nicht darum, das Lesestück auswendig zu können, sondern den Feind zu überlisten. Das wohlige Gefühl, das sich nach
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