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Schneebraut

Schneebraut

Titel: Schneebraut
Autoren: Ragnar Jónasson
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ist eine kleine Gemeinschaft, und wir Polizisten sind so viel mehr als nur die Polizisten vom Ort, ja, es geht hier eigentlich darum, die Leute eben nicht zu bestrafen! Du wirst schnell erkennen, dass wir hier etwas anders arbeiten als die da unten im Süden, hier ist die Nähe viel größer. Du wirst es dann schon lernen, Meister, mach dir keine Sorgen.«
    Tómas fuhr die Aðalgata, die Hauptstraße, hinunter, die ihren Namen mit Recht trug, zumal dort ein kleines Restaurant und verschiedene Geschäfte zwischen alten, schmucken Häusern standen, die anscheinend immer noch als Wohnhäuser genutzt wurden. »Dein Haus befindet sich dort hinten, etwas weiter links in der Eyrargata.« Tómas deutete zur Seite, ohne aber selber in diese Richtung zu blicken. »Ich werde gerade mal bei der Wache vorbeifahren, damit du einen kleinen Überblick bekommst.« Tómas bog zuerst nach links und dann nach rechts ab, in die Gránugata, die parallel zur Aðalgata lag. Er verlangsamte die Fahrt.
    »Möchtest du jetzt reinschauen oder zuerst nach Hause fahren?« Seine Stimme war freundlich.
    Nach Hause?
    Schon wieder dieses unbehagliche Gefühl. Die Platzangst. Heimweh. Würde er diesen unbekannten Ort an diesem fremden Fjord tatsächlich jemals als sein Zuhause betrachten können? Er richtete seine Gedanken darauf, was Kristín in diesem Augenblick wohl tat – in Reykjavík. Daheim.
    »Ja, es ist wohl das Beste, sich erst mal einzurichten«, antwortete er zögernd.
    Es dauerte nur einen Augenblick, um in die Eyrargata zu gelangen. Tómas parkte den Wagen vor einem alten Einfamilienhaus, das zwischen anderen alten Häusern stand.
    »Ich hoffe, dass es dir hier gefällt, zumindest mal für den Anfang. Die Gemeinde hat es vor ein paar Jahren gekauft, es ist ein wenig heruntergekommen – hauptsächlich von außen, aber ich glaube, du kommst hier gut klar. Das Haus steht schon seit langem zum Verkauf. Es ist natürlich viel zu groß für dich allein, aber vielleicht zieht deine Freundin ja bald hierher in den Norden – für eine große Familie wäre es absolut ideal!« Tómas lächelte. Ari versuchte, sein Lächeln zu erwidern. »Du bekommst leider keinen Wagen zur Verfügung gestellt – aber glaub mir, hier brauchst du auch keinen Wagen«, fügte er hinzu. »Wir werden dich nach Sauðarkrókur bringen oder jemanden finden, der gerade dort hinfährt, wann immer du in den Süden musst.«
    Ari betrachtete das Haus. Es war zuletzt mit einer dumpfen, roten Farbe angemalt worden, doch die Farbe blätterte hier und dort ab. Es gab zwei Stockwerke, wobei das obere direkt unter dem Dach lag. Das Dach war knallrot, heute aber zum größten Teil von Schnee bedeckt. Unter dem Haus gab es einen Keller, dort sah man zwei Fenster. Bei der Kellertür stand eine große und mächtige Schaufel.
    »Auf die musst du gut aufpassen, Meister. Du wirst sie diesen Winter brauchen, damit du dich aus dem Haus herausschaufeln kannst, wenn es richtig schneit. Du nützt uns nichts, wenn du drinnen feststeckst!« Sein Lachen war dunkel, aber gutmütig.
    Der Unmut vergrößerte sich, das Herz schlug heftiger.
    Sie gingen die Treppe hinauf, die zur Haustür führte. Ari blieb vor der Tür stehen und wartete.
    »Worauf wartest du denn, Junge?«, fragte Tómas.
    »Dann mach mal auf – sonst erfrieren wir noch hier in der Kälte!«
    »Ich habe keinen Schlüssel«, sagte Ari.
    »Schlüssel!?« Tómas griff nach der Türklinke, öffnete die Tür und trat ein. »Wir sperren die Eingangstüren hier nie ab – das ist absolut überflüssig. Hier passiert nie etwas.«
    Er holte einen Schlüsselbund aus seiner Tasche und reichte ihn Ari. »Aber ich habe mir schon gedacht, dass du vielleicht doch einen Schlüssel haben möchtest, einfach so zur Sicherheit.«
    Er lächelte. »Wir treffen uns dann also später.«
    Ari blieb allein zurück.
    Er schloss die Haustür, ging direkt in die Küche und schaute zum Küchenfenster hinaus, von wo aus er die Häuser auf der anderen Straßenseite sehen konnte und an einem guten Tag zweifelsohne auch die Berge.
    Tómas’ Worte hallten in seinem Kopf nach.
    »Hier passiert nie etwas.«
    Was habe ich mir da nur eingebrockt?
    Was zum Teufel habe ich mir da nur eingebrockt?

7. Kapitel
    Sie hatte schon oft ein Jagdmesser gesehen, ihr Mann besaß einige davon, doch nichts hätte sie auf diesen Augenblick vorbereiten können. Sie wurde starr, verlor jegliche Kraft in den Armen und Beinen, ihr wurde schwarz vor Augen; sie entglitt ihm, oder er hatte
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