Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schneebraut

Schneebraut

Titel: Schneebraut
Autoren: Ragnar Jónasson
Vom Netzwerk:
Studium hatte er abgebrochen –, dann die Theologie. Auch die hatte er aufgegeben, um sich anschließend an der Polizeischule anzumelden. Ari hatte es nie geschafft, wirklich Wurzeln zu schlagen, war stets auf der Suche nach etwas Originellem, etwas Spannendem. Für Theologie hatte er sich nur aus einem inneren Konflikt heraus entschieden, denn an die Existenz eines Gottes glaubte er definitiv nicht. Dieser Gott, der ihn um eine unbeschwerte Jugend gebracht hatte, als er dreizehn war – als seine Mutter starb und sein Vater spurlos verschwand. Erst als er Kristín kennengelernt und es schließlich vor zwei Jahren geschafft hatte, das Rätsel um das Verschwinden seines Vaters zu lösen, hatte er ein gewisses inneres Gleichgewicht gefunden. Und da hatte sich auch die Idee in seinem Kopf festgesetzt, eine Bewerbung bei der Polizeischule abzugeben. Er würde mit Sicherheit einen besseren Polizisten als Pfarrer abgeben. Denn während dieser Ausbildung musste man auch eine bessere körperliche Verfassung vorweisen. Um die Schultern war er jetzt viel kräftiger als zuvor; er stemmte Gewichte, schwamm und lief – so gut in Form war er bei der Lektüre der dicken theologischen Schwarten, in denen er Tag und Nacht gelesen hatte, nicht gewesen.
    »Ja, ich weiß«, antwortete er ein wenig irritiert. »Ich habe die Theologie nicht aufgegeben – habe nur eine Pause eingelegt.«
    »Du solltest einfach das Studium schnell zu Ende bringen, solange du alles noch frisch in Erinnerung hast – es ist schwierig nach ein oder zwei Jahren den Faden wieder aufzunehmen«, meinte sie. Ari wusste allerdings, dass sie in diesem Moment nicht aus eigener Erfahrung sprach. Sie hatte stets alles zu Ende gebracht, was sie begonnen hatte. Sie absolvierte eine Prüfung nach der anderen, nichts konnte sie aufhalten, und nun würde sie ihr Studium bereits nach fünf statt nach sechs Jahren abschließen. Er empfand aber keinen Neid, sondern nur Stolz. Er war sich bewusst darüber, auch wenn sie es nie besprochen hatten, dass sie früher oder später ins Ausland ziehen müssten, damit sie dort ihr weiteres Studium absolvieren konnte.
    Sie schob sich ein dickes Kissen unter den Kopf und schaute in Aris Richtung. »Stört es dich nicht, den Schreibtisch im Schlafzimmer stehen zu haben? Ist diese Wohnung nicht allmählich zu klein für uns?«
    »Zu klein? Nein, ich finde sie toll – ich will auf keinen Fall aus der Innenstadt wegziehen.«
    »Nein, schon gut, hat ja auch keine Eile.« Sie lehnte sich zurück, der Kopf verschwand im Kissen.
    »Die Wohnung ist nun wirklich groß genug für uns beide.« Ari erhob sich. »Wir müssen uns einfach nur noch enger zusammenkuscheln.« Er kroch aufs Bett, schälte sie aus ihrem Handtuch, legte sich vorsichtig auf sie und küsste sie zärtlich. Sie erwiderte den Kuss, umschlang seine Schultern und zog ihn noch enger zu sich.

2. Kapitel
    Wie konnten sie nur den Reis vergessen?
    Sie nahm wütend das Telefon und rief das kleine, indische Restaurant an, das in der kleinen Seitenstraße ungefähr fünf Gehminuten von ihrem Haus entfernt lag. Das große Einfamilienhaus verfügte über zwei Stockwerke, ein charmantes, rotes Backsteinhaus mit orangefarbenem Dach, einer großen Garage und einer gemütlichen Sonnenterrasse oben auf der Garage, ein Traumhaus für eine große Familie. Das Ehepaar fühlte sich dort noch immer sehr wohl, auch wenn sie kurz vor der Rente standen und die Kinder schon lange aus dem Haus waren.
    Sie versuchte, sich etwas zu beruhigen, während sie darauf wartete, dass jemand abhob. Sie hatte sich darauf gefreut, es sich vor dem Fernseher gemütlich zu machen, am Freitagabend eine seichte Serie zu schauen und dazu ein dampfend heißes Hähnchen mit Reis zu essen. Sie war heute Abend allein zu Hause, ihr Mann war noch geschäftlich im Ausland und würde den Nachtflug nehmen und nicht vor dem nächsten Morgen zu Hause sein.
    Das Schlimmste an der Geschichte war, dass das indische Restaurant keinen Lieferservice hatte, sie würde also nochmals raus müssen, um den Reis zu holen, währenddessen das Hähnchen kalt wurde. Verdammter Mist. Aber es war ja noch mild draußen, da wäre der Spaziergang wahrscheinlich ganz angenehm. Sie antworteten schließlich, nach einer Ewigkeit – sie hatten wohl alle Hände voll zu tun. Sie kam sofort zur Sache und beschwerte sich, dass der Reis vergessen worden war. Der Angestellte zögerte und bat dann um Entschuldigung, meinte, dass sie selbstverständlich ihren Reis
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher