Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schneebraut

Schneebraut

Titel: Schneebraut
Autoren: Ragnar Jónasson
Vom Netzwerk:
Medien-berichterstattung. Er würde wahrscheinlich früher oder später das Land verlassen müssen. Die Richter der Straße hatten ihn hierzulande schon zur Genüge verurteilt.
    Das war alles die Schuld von diesem übereifrigen Polizeibeamten.
    Der Wagen fuhr durch den Tunnel. Er schaute nicht zurück. Wollte nie wieder in dieses kalte Kaff zurückkehren.
    Und doch, vielleicht war
nie
ein zu starkes Wort.
    Er musste ja noch ein paar Dinge mit diesem verdammten Polizisten, diesem Pfarrer Ari, klären.

46. Kapitel
    Reykjavík,
    Samstag, 24 . Januar 2009
    Kristín hatte zwei Tage lang versucht, Ari zu erreichen, doch sein Handy war immer ausgeschaltet gewesen.
    Sie war so unendlich wütend darüber gewesen, dass er sie einfach so mir nichts dir nichts im Stich gelassen hatte, nach Norden gezogen war ohne irgendeine Vorwarnung – ohne mit ihr die Sache zu besprechen, der Frau, mit der er seit kurzem zusammenwohnte. Sie hatte geglaubt, dass sie den Mann gefunden hatte, den sie liebte – den Mann, mit dem sie den Rest ihres Lebens verbringen wollte – und dann war er plötzlich verschwunden, nach Siglufjörður gezogen. Sie blieb alleine in der Stadt zurück, mit den Büchern als Begleitung.
    Sie hatte sich nicht vorstellen können, das erste Wochenende mitzufahren – nur, um ihn unter Tränen zu verabschieden und nach Reykjavík zurückzufahren –, allein. Das wäre zu deprimierend gewesen.
    Wie hatte er gehen und sie alleine zurücklassen können?
    Diese Gedanken hatten sie Tag und Nacht beschäftigt, und es bereitete ihr Mühe, sich auf ihre Bücher zu konzentrieren. Das war vorher noch nie passiert. Sie
schien
verliebt zu sein. Zum ersten Mal.
    Sie hatte Zeit gebraucht, um wieder ihr Gleichgewicht zu finden – um sich wieder richtig zu orientieren. Es war ihr schwergefallen, mit ihm zu telefonieren – das erinnerte sie umso mehr daran, wie weit weg er war. Rief ihr in Erinnerung, wie schön seine Stimme klang, führte ihr die schmerzvolle Tatsache vor Augen, dass sie ihn nicht berühren, nicht küssen konnte.
    Etwa zur selben Zeit, als er ging, wurde ihrem Vater gekündigt, und kurz danach verlor auch ihre Mutter ihren Job. Sie hatte ein unglaubliches Verlangen verspürt, Ari anzurufen und einfach am Telefon zu weinen.
    Dann kam Weihnachten – und er betrog sie erneut. Hatte
versprochen
, an Weihnachten in die Stadt zu kommen. Sie hatte sich aus kindlicher Vorfreude und Aufrichtigkeit auf Weihnachten gefreut – bis er anrief, um mitzuteilen, dass er an Weihnachten arbeiten müsse.
    Sie war so enttäuscht. Konnte nichts sagen. Verabschiedete sich und weinte.
    Sie hatte nicht mehr so viel geweint, seit sie ein kleines Mädchen war.
    Sie vermisste ihn so sehr.
    Sie bereute es, ihn am Heiligen Abend nicht angerufen zu haben, da war sie einfach zu wütend gewesen. Hatte ihre Wut nicht im Griff – die Sehnsucht.
    Schließlich beschloss sie, etwas in der Sache zu unternehmen. Wurde nach und nach ausgeglichener. Sie rief einige Male an – wartete und hoffte. Bekam zu guter Letzt eine Antwort, eine positive Antwort – ihr Herz machte einen Sprung, als sie die Nachricht bekam –, eine Anstellung im Sommer in Akureyri und die Möglichkeit, ihr Praktikumsjahr dort zu absolvieren. Ihre Studienfreundin hatte die Möglichkeit beim Schopf gepackt und eine Stelle für sie am Landeskrankenhaus ergattert. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Sie begann, sich sogleich auf den Sommer zu freuen – könnte sowohl in Siglufjörður wie auch in Akureyri wohnen, zwischen beiden Orten hin-und herfahren, wenn sich die Gelegenheit bot, könnte bei Ari sein. Ihrem geliebten Ari.
    Sie versuchte, ihn den ganzen Freitag und Samstag anzurufen, denn das war schließlich keine Neuigkeit, die sie ihm in einer Mail mitteilen wollte. Sein Handy war stets abgestellt.
    Es war spät am Samstagabend, als ihr Handy klingelte. Sie kannte die Handynummer nicht, die erschien. Sie antwortete. Ari war am anderen Ende der Leitung.
    Endlich konnte sie ihm die gute Nachricht mitteilen.

Über Ragnar Jónasson
    Ragnar Jonasson wurde 1976 in Reykjavík geboren und ist Autor und Jurist. Er hat vierzehn Romane von Agatha Christie ins Isländische übersetzt. Sein erster Kriminalroman »Falska nótu« (Falsche Rechnung) erschien 2009. »Schneebraut« ist sein erster Thriller mit dem jungen Polizeibeamten Ari.
www.ragnarjonasson.com

Impressum
    Coverabbildung: Don Smith / Getty Images
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2011
Dieses E-Book ist
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher