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Das Reich der Sieben Städte

Das Reich der Sieben Städte

Titel: Das Reich der Sieben Städte
Autoren: Steven Erikson
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Prolog
     
    Was siehst du am verwasch'nen Horizont,
    das nicht von deiner Hand
    ausgelöscht werden kann?
     
    Die Brückenverbrenner
    Toc der Jüngere
     
    Das 1163ste Jahr von Brands Schlaf
    Das neunte Jahr der Herrschaft von Imperatrix Laseen
    Das Jahr der Säuberung
     
    E r kam aus der Avenue der Seelen auf den Urteils-Ring gewatschelt, eine missgestaltete, von Fliegen bedeckte Gestalt. Die wimmelnde Masse krabbelte wirr und ziellos auf seinem Körper durcheinander, eine sich immerfort in Bewegung befindende schwarze, glänzende Kruste, von der gelegentlich rasende Klumpen herabfielen, die in wild davonschwirrende Einzelteile zerbarsten, sobald sie auf die Pflastersteine prallten.
    Die Dürstende Stunde neigte sich ihrem Ende zu, und in ihrem Gefolge wankte der Priester dahin, blind, taub und stumm. Der Diener des Vermummten – des Lords des Todes – ehrte seinen Gott an diesem Tag auf besondere Weise: Wie seine Gefährten hatte er sich nackt ausgezogen und seinen Körper mit dem Blut hingerichteter Mörder beschmiert, mit jenem Blut, das in riesigen Amphoren aufbewahrt wurde, die die Wände des Tempelschiffs säumten. Dann waren die Brüder in einer Prozession hinaus auf die Straße von Unta gezogen, um die Schemen des Gottes willkommen zu heißen und Anweisungen für den Totentanz zu erteilen, der den letzten Tag der Zeit der Fäulnis kennzeichnete.
    Die Wachen entlang des Ringes wichen zur Seite, um den Priester durchzulassen, machten dann noch mehr Platz für die wirbelnde, summende Wolke, die ihm folgte. Der Himmel über Unta war noch immer eher grau als blau, als die Fliegen, die mit der Dämmerung in die Hauptstadt des malazanischen Imperiums geschwärmt waren, jetzt aufstiegen und langsam hinaus über die Bucht flogen, den Salzmarschen und den versunkenen Inseln jenseits des Riffes entgegen. Mit der Zeit der Fäulnis kam die Pestilenz, und in den letzten zehn Jahren hatte es dreimal eine Zeit der Fäulnis gegeben – etwas, das zuvor noch nie da gewesen war.
    Die Luft über dem Ring summte noch immer, war noch immer voller schwarzer Punkte, als würden unzählige Sandkörner durch die Luft schweben. Irgendwo in den umliegenden Straßen jaulte ein Hund – es klang, als wäre er dem Tode nahe, aber noch nicht nahe genug –, und direkt neben dem zentralen Springbrunnen des Rings zuckte das verlassene Maultier, das früher an diesem Tag zusammengebrochen war, noch immer kläglich mit den Beinen. Fliegen waren durch jede Körperöffnung in das Tier gekrochen, und jetzt war es aufgedunsen von Gasen. Es war ein typisches Maultier, von Natur aus störrisch, und sein Tod zog sich jetzt schon mehr als eine Stunde hin. Als der Priester, ohne etwas zu sehen, an ihm vorbeistolperte, erhoben sich Fliegen von dem Maultier wie ein im Wind wehender Vorhang und gesellten sich zu jenen, die ihn bereits umhüllten.
    Von dem Punkt aus, wo Felisin mit den anderen wartete, war es für sie klar, dass der Priester des Vermummten schnurstracks auf sie zukam. Seine Augen waren zehntausend Augen, aber sie war sicher, dass jedes einzelne davon ganz allein auf sie gerichtet war. Doch selbst dieses allmählich aufkeimende Entsetzen reichte noch nicht aus, um die Betäubung zu durchdringen, die sich wie eine erstickende Decke über ihren Geist gelegt hatte; sie nahm wahr, wie dieses Entsetzen in ihrem Inneren erwachte, doch das Gefühl war eher die Erinnerung an Furcht als eine Furcht, die sie wirklich verspürte.
    Sie konnte sich kaum an die erste Zeit der Fäulnis erinnern, die sie mitgemacht hatte, doch sie hatte ganz klare Erinnerungen an die zweite. Es war noch nicht einmal drei Jahre her, dass sie diesen Tag vom sicheren Besitz ihrer Familie aus verfolgt hatte, in einem guten, festen Haus mit geschlossenen Fensterläden, die zudem noch mit Stoffbahnen versiegelt worden waren; aus den Kohlepfannen vor den Türen und auf den hohen, mit Glasscherben bestückten Mauern des Hofes waren die stechenden Rauchschwaden schwelender Istaarl-Blätter aufgestiegen. Der letzte Tag dieser besonderen Jahreszeit und die Dürstende Stunde waren eine Zeit des vagen Abscheus für sie gewesen, irritierend und lästig, jedoch nicht mehr. Damals hatte sie kaum einen Gedanken an die unzähligen Bettler und die in der Stadt herumstreunenden Tiere verschwendet, die nicht den geringsten Schutz besaßen, genauso wenig wie an die ärmeren Einwohner, die noch Tage danach scharenweise zwangsverpflichtet worden waren, um die Straßen zu reinigen.
    Es war die
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