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Schneebraut

Schneebraut

Titel: Schneebraut
Autoren: Ragnar Jónasson
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schien überrascht zu sein, nun in der Diskussion erwähnt zu werden.
    »Er fand es vermutlich passend, dass du das Urheberrecht als Erbe bekommst … sozusagen als einen kleinen Ausgleich«, sagte Ari.
    »Der verdammte Teufelskerl – als ob das etwas ändern würde. Er hat sich sein ganzes Leben lang mit falschen Federn geschmückt – mein Vater tot, vergessen –, und Hrólfur lebte siebzig Jahre lang wie ein König. Aber … ich wollte ihn nicht töten.«
    »Hast du ihn gestoßen?« Die Frage erübrigte sich eigentlich.
    »Ich habe ihn geschubst – in dem ganzen Streit. Rannte dann wie vom Teufel verfolgt hinaus, als ich sah, dass er tot war. Da habe ich den Regenschirm vergessen, ich hatte ihn aus alter Gewohnheit in der Garderobe an einen Haken gehängt, als ich zurückkam, um das Manuskript zu holen.« Pálmi war zu Tränen gerührt. »Ich wollte ihn nicht töten. Ich habe nicht mehr geschlafen, seit das passiert ist … Gott sei Dank ist es endlich ausgestanden.«
    »Es ist das Beste, wenn du mit auf die Wache kommen könntest, Pálmi, wir müssen ein Protokoll aufsetzen«, sagte Tómas warmherzig.
    »Wie … ja, selbstverständlich«, sagte er, eindeutig verwirrt.
    »Eines noch zum Schluß«, sagte Ari. »Das Kind, das Hrólfur angeblich gehabt haben soll – war das eine Lügengeschichte?«
    »Ja«, antwortete Pálmi mit beschämter Miene. »Entschuldige. Ich bin einfach so erschrocken, als ich gehört habe, dass ihr die Sache als Verbrechen ermittelt … ich wollte euch auf eine andere Spur führen. Das habe ich danach tief bereut.«
    Ari zweifelte nicht daran.
    »Und ich bin direkt in die Falle getappt«, sagte er.
    »Ich hatte Nína im Kopf, als ich dir diese Geschichte erzählte.« Er hatte wohl vergessen, dass Nína dicht neben ihm stand. »Man hat ja nie genau gewusst, wer ihr Vater gewesen ist.«
    Nína zuckte zusammen. Ihre Welt schien auf einmal zusammenzubrechen.
    »Hast du … hast du … versucht … die Schuld auf mich zu schieben?«, fragte sie verwundert.
    Pálmi schaute sie an.
    Sie starrte ihn mit leerem Blick an, sie schien in Gedanken weit weg zu sein.
    »Dann wollen wir mal, Pálmi«, sagte Tómas.
    ***
    Die Gäste der Feier beobachteten verwundert, wie der Polizeichef Pálmi hinausfolgte.
    Úlfur hatte etwas von dem Gespräch aufgeschnappt und kombinierte schnell, zählte rasch zwei und zwei zusammen.
    Er habe es eine Zeitlang im Gefühl gehabt, dass da etwas vor sich ginge; er habe bemerkt, dass, als er sich von Hrólfur verabschiedete, um essen zu gehen, Pálmi das Manuskript noch nicht geholt hatte – aber dennoch hatte Pálmi es in der Pause korrigiert.
    Er hatte es aber nie geschafft, Pálmi nach dem Fall zu fragen, und schon gar nicht, die Polizei zu rufen.
    Er litt sehr mit seinem Kumpel.
    ***
    Pálmi schaute kurz zurück, mit zusammengekniffenen Augen, als ob der Siglufjörður-Nebel ihn umhülle.
    Er hatte Angst.
    Befürchtete, im Gefängnis zu landen.
    Das war es aber nicht, was ihm ganz oben im Kopf herumschwirrte.
    Er wünschte sich am meisten, dass diese kleine Gemeinschaft am nördlichen Meer ihm verzeihen möge – so dass er den Leuten, die er schon so lange kannte, wieder in die Augen schauen könnte.
    ***
    Ari war beim Verhör mit Pálmi ganz zufrieden mit sich selbst gewesen. Stolz.
    Er sah das Gesicht von Pálmi, als er ein letztes Mal in den Saal schaute, gebückt.
    Das war so unerhört ungerecht. Pálmi war in den Händen der Polizei, doch Karl lief frei herum.
    Ari war einen Augenblick lang versucht zu denken, dass die Welt wirklich gerecht sein sollte.
    Verfluchte Idee. Er, der das aus eigener bitterer Erfahrung so gut kannte – seit jungen Jahren Waise war –, er wusste, dass Gerechtigkeit nichts anderes als reine Interpretationssache war.

45. Kapitel
    Siglufjörður,
    Samstag, 24 . Januar 2009
    Karl war auf dem Weg aus dem Dorf hinaus. Hatte eine Mitfahrgelegenheit nach Akureyri. Dort hatte er bei einem alten Bekannten Arbeit bekommen, wollte eine Zeitlang dort bleiben und dann weitersehen.
    Er durfte sich frei bewegen, zumindest im Moment noch. Er hoffte, einer Anklage zu entgehen – bisher hatte er immer Schwein gehabt.
    Er ließ das meiste von Lindas Besitz in der Wohnung, nahm nur gerade das Wertvollste mit. Wollte nicht zuviel Gepäck mit sich rumschleppen. Verdammtes Chaos, dass er wahrscheinlich diese zehn Millionen von der Versicherung nicht bekommen würde. Die hätte er gut gebrauchen können.
    Dann war er aber auch unzufrieden mit der
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