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Fortune de France: Roman (German Edition)

Fortune de France: Roman (German Edition)

Titel: Fortune de France: Roman (German Edition)
Autoren: Robert Merle
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ERSTES KAPITEL
     
    Meine Familie kann sich nicht rühmen, ihren Adelstitel schon seit ungezählten Generationen zu führen. Erst mein Vater hat ihn erworben. Ich gestehe dies in aller Offenheit ein; denn wollte ich es daran fehlen lassen, würde ich diesen Lebensbericht gar nicht erst beginnen. Mein Vorsatz ist, mich bei der Niederschrift allein von der Wahrheit leiten zu lassen, ohne auch nur ein Jota davon abzuweichen.
    Monsieur de Fontenac, welcher manch lästerliche Gemeinheit über uns verbreitet hat, wagte auch zu behaupten, mein Urgroßvater sei – wie Monsieur de Sauve – Lakai gewesen, was eine Lüge ist, für die ich ihm gehörig das Maul gestopft habe.
    Wie jeder weiß, hat Monsieur de Sauve sein Ministeramt sowohl seiner höchst bewundernswerten Geschicklichkeit wie den Erfolgen zu verdanken, welche seine Frau als Bediente der Königin Katharina in den Betten der Prinzen von Geblüt errang. So hoch ist unsere Familie nicht aufgestiegen und nicht mit solchen Mitteln. Sie hat auch nicht so weit unten beginnen müssen, obzwar es keine Schande ist, wie ich vermeine, Lakai zu sein: die Angst vor dem Verhungern kann einen armen Schlucker leicht dahin führen.
    Aber die Wahrheit ist, daß mein Urgroßvater François Siorac nicht bei fremden Herren Dienst tat, sondern nahe Taniès im Sarladischen ein gutes Stück Land zu eigen hatte und es auch selbst bearbeitete. Wie groß sein Besitz war, weiß ich nicht zu sagen, doch nach der Grundsteuer zu urteilen, welche er dem König zahlte – die höchste in der ganzen Gemeinde –, kann es so wenig nicht gewesen sein. Auch geizig war mein Urahn nicht, denn er gab seinem Pfarrer jeden Monat zehn Sols, seinen zweitgeborenen Sohn Charles das Latein zu lehren, in der Hoffnung vielleicht, selbigen einmal in den geistlichen Stand treten zu sehen.
    Mein Großvater Charles, von angenehmem Äußeren – er hatte dasselbe rötliche Haar wie mein Halbbruder Samson –,lernte sein Latein mit Fleiß, doch zog er den Gebeten das Abenteuer vor: mit achtzehn Jahren verließ er das heimatliche Dorf, um im Norden sein Glück zu machen.
    Was ihm auch gelang, denn er heiratete in Rouen die Tochter eines Apothekers, dessen Gehilfe er geworden war. Ich weiß weder zu sagen, wie er als Apothekergehilfe zu studieren vermochte, um den Titel eines Apothekermeisters zu erwerben, noch ob er diesen überhaupt erwarb; jedenfalls übernahm er nach dem Tode seines Schwiegervaters dessen Offizin und führte die Geschäfte mit größtem Erfolge. Anno 1514, als mein Vater geboren ward, war er vermögend genug, zwei Meilen von Rouen entfernt eine Mühle mit den dazugehörigen schönen Wiesen zu kaufen, welches Anwesen den Namen La Volpie trug. Und in jener Zeit tauchte dann zwischen Charles und Siorac das kleine Wörtchen
de
auf, welches mein Vater zwar belächelte, doch nichtsdestoweniger beibehielt. Indes habe ich auf keinem der von meinem Vater aufbewahrten Papiere die Bezeichnung
Edler
vor der Unterschrift
Charles de Siorac, Seigneur de la Volpie
, gefunden, was beweist, daß mein Großvater niemandem etwas vortäuschen wollte wie so viele Bürgerliche, welche sich ein Anwesen kaufen, nur um sich mit einem Titel zu schmücken, den der König ihnen gar nicht verliehen hat. Der unechten Adeligen gibt es die Menge, wie ein jeder weiß. Doch ist ihr Vermögen nur ansehnlich genug, eine Heirat zu rechtfertigen, dann drücken auch die echten Adeligen ein Auge zu.
    Mein Vater Jean de Siorac, denn so nannte er sich, war zweitgeborener Sohn wie schon sein Vater Charles und wie ich selbst es bin. Eingedenk dessen, was der alte François Siorac mit den so kostspieligen Latein-Lectiones für ihn getan, schickte Charles seinen Sohn Jean nach Montpellier, auf daß er dort die Medizin studiere. Dies bedeutete eine gar weite Reise, einen langen Aufenthalt in der Fremde und ein selbst für einen Apotheker beträchtliches Opfer an Geld, doch der alternde Charles träumte davon, daß sein Ältester Henri die Offizin übernähme und sein Zweitgeborener Jean sich als Medicus in der Stadt niederließe; solcherart den Patienten von zwei Seiten bedrängend, würden beide ein gutes Auskommen finden, so Gott wollte. Was seine drei Töchter betraf, welche in seinen Augen wenig zählten, so stattete er sie dennoch mit einer Mitgift aus, deren er sich nicht zu schämen brauchte.
    Mein Vater erwarb also in Montpellier den Grad eines Baccalaureus und hernach den eines Lizentiaten der Medizin, doch konnte er seine
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