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Schmierfinken - Politiker ueber Journalisten

Schmierfinken - Politiker ueber Journalisten

Titel: Schmierfinken - Politiker ueber Journalisten
Autoren: Maybrit Illner , Hajo Schumacher
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frühling mit heraus.

SEBASTIAN EDATHY
    Der Feldforscher - Frank Jansen
    Der große deutsche Soziologe Norbert Elias formulierte einst, dass der beste Beobachter der sei, welcher »Engagement und Distanzierung« an den Tag lege. Also einer, der sich einer Sache intensiv widmet, ohne sich von ihr überwältigen zu lassen oder in ihr aufzugehen. Einer, der die Fähigkeit zur objektivierenden Gesamtschau im Auge behält und sich gleichwohl einem Thema mit Anteilnahme und Nachdruck widmet, weil er von der Notwendigkeit seines Tuns überzeugt ist.
    Frank Jansen vom Berliner Tagesspiegel gehört zu den Journalisten, die als schreibende Beobachter dem Elias-Ideal entsprechen. Er ist einer der wenigen Vertreter seiner Zunft, die sich schwerpunktmäßig mit dem Thema Rechtsextremismus beschäftigen. Pseudo-Antifaschismus und Gleichgültigkeit, beides häufige Phänomene, ärgern ihn dabei gleichermaßen.
    Während andere dem Thema Rechtsextremismus nur punktuell Aufmerksamkeit schenken, sei es aufgrund bedenklich hoher Wahlergebnisse der NPD oder besonders erschreckender Übergriffe, recherchiert Jansen Strukturen und schreibt darüber. Er tut dies beharrlich und mit Konsequenz. Er will nicht nur über Symptome berichten, sondern über Ursachen. Aufklärung ohne Belehrung, das ist Markenzeichen der Texte Jansens, der mehr ist als ein Chronist, aber alles andere als ein Missionar.

    Jansen ist ein Profi mit Leidenschaft für die Demokratie. Er weiß darum, dass diese für ihre Erhaltung der Verteidigung bedarf. Er hat einen klaren Blick dafür, dass Demokratie nicht vererbt werden kann, sondern von jeder Generation neu erlernt werden muss. Und er sieht sehr klar, dass dort, wo demokratische Strukturen unterentwickelt sind, Rechtsextremisten die unverhofften Aktionsräume zunehmend professionell nutzen.
    Bitter hat ihn das nie gemacht. Auch wenn er aufgrund von Anfeindungen seine Adresse geheim halten muss. Auch wenn er bereits mehrfach bedroht wurde. Auch wenn ihm oft Schweigen begegnet, sobald er kritisch nachfragt, was vor Ort eigentlich getan wird, um Demokratiefeindlichkeit wirksam abzuwehren.
     
    Geplant hatte Frank Jansen weder seinen Weg zum Journalismus noch zum Thema Rechtsextremismus. 1959 in Wuppertal geboren und aufgewachsen, ging er zum Studium nach Berlin, erhielt dort 1983 sein Diplom in Politologie. Damals interessierte er sich für die Skinhead-Szene im Westteil der gespaltenen Stadt. Dem liberalen Bürgersohn mochte nicht einleuchten, warum Menschen die Demokratie verachten. »Feldforschung« nennt Jansen heute das, was er damals tat. Er las die Publikationen der Szene, schaute sich Treffpunkte an. Er tat, was man tut, um sich ein vertieftes Bild zu machen - nicht Dogmatik, sondern Neugier an den Tag legen: »Warum sind Leute so?«, war die Frage, die ihn interessierte.
     
    Seine entsprechenden Sinne geschärft hat Frank Jansen 1986 im Libanon. Man muss sich das so vorstellen: Junger Akademiker aus Berlin reist in Kriegsgebiet. Nichts außer seinem persönlichen Interesse führte ihn dorthin.
Auf ein Dach gekauert speicherte er Tonaufnahmen, auf denen das Läuten von Kirchenglocken und Schusswechsel zu hören sind.
    »Das war den Radiosendern zu krass«, sagt Jansen heute. Das Tondokument hat er daheim archiviert. Seine Berichte, die er mehreren Zeitungen zum Abdruck anbot, wurden hingegen gerne aufgegriffen. Unter anderem vom Tagesspiegel .
    Im Rückblick hat er damit den Beginn seiner Arbeit als Journalist begründet. Und sein Selbstverständnis. Da sein, wo man sein muss, auch wenn kein anderer da ist - weil’s eben wichtig ist. Und auch da sein, obwohl es gefährlich werden kann. Auf eigene Faust, aber immer mit dem Willen zum Schreiben und zur Veröffentlichung seiner Texte, bereiste Jansen später unter anderem Burma, schrieb über einen Müllkippen-Slum in Manila.
     
    1987 erkannte der Tagesspiegel sein Talent, da war er keine 30 Jahre alt und immer noch ein Quereinsteiger. Keiner, der echte Zeitungs-Erfahrung besaß oder an einer Journalistenschule studiert hatte. Ob das heute noch so funktionieren würde? Jansen: »Wäre jedenfalls schwieriger.«
    Als freier Mitarbeiter wurde Jansen zunächst vom Tagesspiegel eingestellt, als Autor für die Bildungsseite. So richtig froh wurde Jansen damit nicht, fühlte sich unterfordert. Was er kann, zeigte sich im Wendejahr 1989. Ohne Auftrag und verärgert darüber, dass im Tagesspiegel lange Zeit nur Agenturmeldungen über die Entwicklung im Osten der Stadt
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