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Schmierfinken - Politiker ueber Journalisten

Schmierfinken - Politiker ueber Journalisten

Titel: Schmierfinken - Politiker ueber Journalisten
Autoren: Maybrit Illner , Hajo Schumacher
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abgedruckt wurden, begab sich Jansen in die Hauptstadt der DDR, notierte, fotografierte und kam mit frischem Material in seine Redaktion zurück. Jansen: »Bestellt war das nicht, aber man kam nicht drum herum, das zu bringen, weil es überzeugender Stoff war.«

    20 Jahre ist das bald her, aber es macht deutlich, warum Frank Jansen ein außergewöhnlicher Journalist ist. Er wartet oft nicht auf Aufträge. Er hat ein sicheres Empfinden für Themen. Und im Zweifelsfall macht er etwas und geht davon aus, dass es relevant ist, weil er davon überzeugt ist, dass es relevant ist. Meistens hat er Recht.
    Als er 1990 Korrespondent in Frankfurt/Oder wird und verantwortlich für die Seiten des Tagesspiegel in und aus Brandenburg, holt ihn das Skinhead-Thema aus dem alten Westberlin wieder ein. Nicht ohne Überraschung stellt er fest, dass Rechtsextremismus in Ostdeutschland kein Phänomen in Folge der Einheits-Verwerfungen ist, sondern wie im Westen der Republik lange gewachsene Strukturen aufweist. Er beginnt, darüber zu berichten.
    Am 8. April 1991 wird nach Wegfall der Visumspflicht für polnische Staatsbürger in Frankfurt/Oder ein Bus aus Polen von Deutschen mit Steinen beworfen. Von offizieller Seite wird der Vorgang totgeschwiegen, Jansen schreibt darüber, so wie auch über die Anschläge auf Asylbewerber in Rostock 1992 und auf türkischstämmige Bürger in Solingen 1993. Beide Städte liegen nicht in Brandenburg. Jansen fuhr hin, weil er glaubte, da sein und berichten zu müssen. Danach erhält er vom Tagesspiegel grünes Licht, sich bundesweit intensiv mit diesem Thema zu beschäftigen.
    Der Tagesspiegel hatte die Ambition, sich als überregionale Zeitung aufzustellen, und Frank Jansen war und ist personalisierte Gewährleistung für eine sachliche und engagierte Berichterstattung zugleich. Er geht unangemeldet in Jugendzentren, die als rechtsextrem gelten. Er bemüht sich um Zutritt bei Versammlungen rechtsextremistischer Gruppen und Parteien. Er macht Recherchen, die ihn gefährden könnten. Er ist unbequem. Nicht, weil es ihm Spaß
machen würde, sondern weil es nötig ist, um Zugang zu dem Material zu erhalten, über das er schreiben will.
    Jedes Jahr berichtet er über Orazio Giamblanco. Der Italiener wurde 1996 südlich von Berlin von Skinheads überfallen, seitdem ist er schwerbehindert. »Langzeitstudie« nennt Jansen seine regelmäßigen Texte über das Schicksal dieses Mannes. Es ist Journalisten wie Frank Jansen zu verdanken, dass die Opfer von Rechtsextremisten einen Platz in der überregionalen Presse finden, dass man sie nicht vergisst.
     
    Eher zurückhaltend berichtet Jansen, für seine Arbeit mehrere Auszeichnungen erhalten zu haben. Wichtig war ihm das selbst nicht so sehr. Wichtig war ihm, gegenüber seiner Chefredaktion deutlich machen zu können: »Es geht nicht immer nur um Schlagzeilen.« In der Leitung des Tagesspiegel hat man längst erkannt, dass Jansen das Profil des Blattes geschärft hat. Seit 2001 ist er als Reporter der Chefredaktion zugeordnet. »Größtmögliche Authentizität« seiner Texte ist sein Anspruch. Und dem wird er gerecht.
     
     
    DER AUTOR
    Sebastian Edathy (geb. 1969 in Hannover) ist Mitglied im Vorstand der SPD-Bundestagsfraktion und seit 2005 Vorsitzender des Innenausschusses des Deutschen Bundestages. Zuvor war der Sozialwissenschaftler Sprecher der Arbeitsgruppe Rechtsextremismus der SPD-Bundestagsfraktion.

PHILIPP MISSFELDER
    Lokaljournalisten wie Pit Schneider - die heimlichen Meinungsmacher
    »Wegelagerer und Indiskretins«, »Fünf-Mark-Nutten« und »Rudeljournalismus« - über das Verhältnis von Politikern und Journalisten ist bereits viel geschrieben und noch mehr gesagt worden. Die Zitate stammen von keinen geringeren Zeitgenossen als Helmut Schmidt, Joschka Fischer und Wolfgang Thierse, die damit die schreibende Zunft abqualifizierten. Zur Vertrauensbildung trug dies nicht gerade bei. Auf das Vertrauen zwischen denen, die ein politisches Anliegen haben, und denen, die darüber berichten sollen oder müssen, kommt es allerdings in einer medialen und digitalisierten Gesellschaft entscheidend an. Das gilt nicht nur für die vermeintlich »große« Politik, die in Berlin gemacht wird, sondern insbesondere für den geografischen Bereich, in dem jeder gewählte Politiker verwurzelt ist - in seinem Wahlkreis.
    Deswegen ist dieser Beitrag den Journalisten gewidmet, die sonst immer ein wenig im Abseits von Medienstars wie Bild -Chef Kai Diekmann,
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