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Schmierfinken - Politiker ueber Journalisten

Schmierfinken - Politiker ueber Journalisten

Titel: Schmierfinken - Politiker ueber Journalisten
Autoren: Maybrit Illner , Hajo Schumacher
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effizientere Weisen, seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Doch bei solchen Reisen und Kongressen kann sich die Journalistin mit Themen beschäftigen, die den Menschen Susanne Götze ebenfalls umtreiben. Arbeit ist für die junge Journalistin mehr als reiner Gelderwerb. Die zwanghafte Aufspaltung der Lebenszeit in entfremdete Lohnarbeit, der man nachgehen muss, und sogenannte Hobbys, für die man sich eigentlich interessiert, für die jedoch kaum Zeit bleibt, ist für Susanne Götze abschreckend.
Sinnstiftung und Gelderwerb sollten möglichst zusammenfallen. Und mit diesem Bedürfnis steht sie nicht alleine da. Womöglich rührt auch daher ihr Interesse am Thema Grundeinkommen.
     
    Ihr Weg in den Journalismus begann nicht wie üblich mit familiären Vorbildern, der Mitarbeit an einer Schülerzeitung oder dem direkten Studium, sondern mit Praktika bei verschiedenen Tageszeitungen, während sie zugleich Literaturwissenschaften, Politik und Geschichte in Potsdam studierte. Nach dem zweiten Praktikum im Jahr 2002 stand ihr Entschluss fest, als freie Journalistin tätig zu werden. Am Anfang stand auch bei ihr das bekannte Klinkenputzen.
    Inzwischen schreibt sie für so unterschiedliche Medien wie die taz , die Frankfurter Rundschau , das Neue Deutschland oder die Wirtschaftsnachrichtenagentur Dow Jones. Susanne Götze selbst bezeichnet ihren Zugang zum Journalismus als untypisch. Sie jagt nicht hektisch dem reißerischen Aufhänger oder der Story hinterher. Ihr Interesse gilt erst einmal dem Gesamteindruck, dem gesellschaftlichen Bezug. Verschiedene Bereiche zu vernetzen - das ist ein wichtiges Motiv für die 28-jährige Berlinerin: »Vor eingefahrenen Perspektiven, die den Blick auf das Unbekannte, Neue verdecken, muss man sich schützen.« Die Medien haben großen Einfluss, daraus folge eine enorme Verantwortung. Um dieser gerecht zu werden, ist eine mehrdimensionale Sicht auf die Dinge nötig. Das stößt im eingefahrenen Redaktionsbetrieb nicht selten auf Ablehnung. »Einmal«, erzählt sie, »wollte ich in einem Bericht über die junge Untergrundbewegung in Ägypten Literatur und Journalismus verbinden.« Doch neue Herangehensweisen seien eben oftmals nicht erwünscht.

    Die Verknüpfung von Literatur und Journalismus steht für ihren Lebensentwurf. Seit sieben Jahren führt Susanne Götze, wenn man so will, ein Doppelleben. Einen Teil des Tages ist sie Studentin der Literaturwissenschaften. Andere Teile des Tages und der Nacht widmet sie ihrer zweiten Leidenschaft: dem Journalismus. Hinzu kommt ganz normale Textarbeit für Medienbüros, denn leben kann sie allein vom Einkommen als freie Journalistin zurzeit noch nicht. Vor kurzem hat Susanne Götze ihr Studium mit sehr guten Ergebnissen abgeschlossen. Hört nun das Doppelleben auf? Wohl kaum. Direkt nach Abgabe ihrer Magisterarbeit, für die sie drei Monate in Paris recherchierte, hat sie die Konzeption einer Doktorarbeit in Angriff genommen und sich für ein Doktorandenstipendium beworben. Und so pendelt sie jetzt zwischen Universitätsbibliothek, Pressekonferenz, Hörsaal und Europäischen Sozialforen. Nicht zu vergessen die vielen Länder, die sie als sporadische Reisejournalistin besucht. Zuletzt war sie in der Türkei.
     
    Ihre Entdeckungsreise durch die Welt der Literatur fing mit Abenteuergeschichten an, Büchern von Jules Verne, Wolkow und »allem, was sich um einsame Inseln und leere Häuser drehte.« Später entdeckte die im Ostberliner Stadtteil Köpenick Aufgewachsene im Nach-Wende-Berlin die Faszination leerstehender Fabriken und Häuser und hielt die Ästhetik der Verwaisung auf Schwarzweiß-Fotografien fest. Die Ausrüstung für eine Dunkelkammer hat sie immer noch. Allerdings sind die Geräte schon eine Weile nicht mehr zum Einsatz gekommen - dafür fehlt einfach die Zeit. Die Welt der Geschichten ist heute immer noch konstitutiv für ihr Leben: »Wenn ich im Alltag unterwegs bin und keine Geschichte habe, die mich
begleitet, fühle ich mich leer.« Insofern ist ihr Studium ein Studium aus Leidenschaft. Später werden die Abenteuergeschichten abgelöst durch russische Klassiker wie Dostojewskij und Tolstoj, aber vor allem von französischer und deutscher Literatur der Moderne. In ihrer Magisterarbeit beschäftigte sie sich mit dem Verhältnis von realsozialistischer und westeuropäischer Literaturgeschichte. Und die Begeisterung, mit der sie davon spricht, deutet an, dass sie ihr Nebenfach Geschichte nicht aus Verlegenheit, sondern aus Interesse
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