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Schmidts Bewährung

Schmidts Bewährung

Titel: Schmidts Bewährung
Autoren: Louis Begley
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konnte, das Kätzchen wolle zum Karneval gehen und habe sich dafür eine braune venezianische Maske ausgesucht.
    Willst du es nicht in den Arm nehmen?
    Natürlich.
    Schmidtie, das ist ein Siamkater. Er hat einen Stammbaum und alles. Jason, zeig doch mal. Ein siamesischer Prinz. Der will dir Gesellschaft leisten.
    Eine Schmeichelkatze ganz für ihn allein – tatsächlich. Da war nichts zu machen, das merkte er, es war ausgeschlossen, dieses warme weiche Etwas mit dem gewaltig klopfenden Herzen wieder herzugeben, das ihm sofort die Hand geleckt hatte und schnurrte, als sei Schmidts Armbeuge sein angestammter Platz. Er machte den naheliegenden Einwand. Wer würde sich um den kleinen Kater kümmern, wenn er auf Reisen war – und er würde sehr bald für etliche Wochen wegfahren. Das sei schon organisiert, zuerst würden sie das Tier versorgen und später, wenn sie ausgezogen wären, kümmerte sich Bryan darum. Gekauft hätten sie das Kätzchen zusammen, und es sei ein gemeinsames Geschenk, aber Bryan habe den Züchter gefunden, den Wurf angesehen und diesen kleinen Wicht ausgesucht. Man mußte sich nicht wundern, daß Bryan schon vorausgedacht hatte. Wenn er die Versorgung übernahm, würde er nicht im Poolhouse wohnen, da Schmidt es vielleicht für Gäste brauchte. Aber da sei doch der Raum über der Garage, den man gut als Unterkunft herrichten könne, so daß er, Bryan, Schmidt nicht im Wege sei. Gehe das in Ordnung? Schmidt tat, was von ihm erwartet wurde. Er nickte zustimmend.
    Dies war seine erste Katze. Als Schmidt nach Europa abreiste, meinte er, in dem mitteilsamen kleinen Tier nicht nur Intelligenz entdeckt zu haben – das Kätzchen kam, wenn Schmidt pfiff, es hatte die Topographie seiner neuen Umgebung und Schmidts Gewohnheiten so gut erfaßt, daß es, aufgrund rätselhafter Kalkulationen, zuverlässig an jede Stelle des weitläufigen Hauses galoppierte, woSchmidt normalerweise im nächsten Augenblick sein mußte, und dort auf ihn wartete –, sondern auch moralisches Unterscheidungsvermögen. Sy sorgte dafür, daß er gefüttert wurde, wenn er Hunger hatte. Das war ganz klar. Er kletterte auf einen Stuhl und sprang von dort auf den Küchentisch und verfolgte jede Bewegung Schmidts, die dazu führen mußte, daß Nahrung in seinem Napf auftauchte; manchmal hob er sich leicht auf die Hinterbeine, um genauer beobachten zu können, und wedelte mit der langen dünnen rechten Vorderpfote. Aber sein Interesse an Schmidts Gesellschaft schien nicht grundsätzlich im Zusammenhang mit Hunger zu stehen: Offenbar fühlte sich der kleine Kater einfach wohl, wenn Schmidt da war, und rollte sich deshalb in seinem Schoß oder im Sessel neben Schmidt zusammen, wenn Schmidt las, oder saß, wenn Schmidt in der Küche zu tun hatte, oben auf dem Kühlschrank in einem Korb, den Schmidt, nachdem er die Vorliebe des Katers für diesen Aussichtspunkt bemerkt hatte, mit einem alten Pullover ausgepolstert hatte, und aus demselben Grund rannte er jedesmal eilig zur Haustür, wenn Schmidt nach Hause kam. Diesen letzten Freundschaftsbeweis fand er besonders rührend. Zu den Beweisen für Moralgefühl, die Schmidt, wie er feststellte, mit wachsender Loyalität und Zärtlichkeit erwiderte, zählte er auch Sys Lust am Vergnügen und sein Beharren auf dem Einhalten von Bündnissen. So erschien der kleine Kater immer morgens, wenn Schmidt sich rasierte, im Bad, sprang auf den Toilettendeckel, setzte sich und wartete darauf, daß er gebürstet würde. Wenn Schmidt nun aber, zum Beispiel weil er sich gerade mit Rasierschaum eingeseift hatte, sagte: Warte, bitte, dann ließ Sys entrüstetes Mauzen keinen Zweifel daran, daß sein Stolz verletzt war – etwas Unbekanntes, dessen Bedeutung er nicht zugeben konnte, hatte Priorität über eine Verabredunggewonnen, die er getroffen und eingehalten hatte. Schmidt zweifelte nicht, daß Sy, sobald er allein im Haus war, nachgab und das frische Wasser trank, das immer für ihn bereitstand. Aber das tat er nie, wenn Schmidt in der Nähe war. Dann erhob er seine Stimme zu einem Miauen, dessen besonderer Klang Durst signalisierte und an die Abmachung erinnerte – das hatte er Schmidt gelehrt –, woraufhin sich beide zusammen zum nächsten Wasserhahn verfügten, möglichst in einer Badewanne; Schmidt drehte den Hahn dann nur so weit auf, daß ein dünnes Rinnsal herausfloß, der kleine Kater setzte sich davor, legte den Kopf skeptisch zu Seite, schnurrte Zustimmung und fing an zu schlabbern. Der rätselhaft
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