Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schmidts Bewährung

Schmidts Bewährung

Titel: Schmidts Bewährung
Autoren: Louis Begley
Vom Netzwerk:
selbständige Sy, der keine Belohnung begehrte und in jeder Geste verfeinerte Eleganz zeigte: Ob es den Tatsachen entsprach oder nicht, Schmidt nahm ihn als Carries Geschenk. Er freute sich auf sein Leben mit Sy. Sie beide waren in ihrer Beziehung zueinander noch ohne Sünde. Tabula rasa. Schon einmal war ihm beschieden gewesen, auf eine leere Tafel zu schreiben: die seiner Tochter. Er hoffte, es mit der Katze besser zu machen.
    Die Nachricht von ihr, die er in Prag bekam, war so unerwartet, daß ihm augenblicklich der Mund trocken wurde, als der Hotelportier sie ihm in die Hand gab. Erst als er sich klarmachte, daß eine Schreckensbotschaft, von einem schweren Unfall oder einem schlimmen Unglück, das ihr zugestoßen war, nicht in einem von ihr selbst abgeschickten Fax stehen würde, kam er wieder zu sich, öffnete den Umschlag und las. Der Brief war kein Angriff; er war eine Überraschung anderer Art, denn sie teilte ihm mit, sie und Jon würden mehr oder weniger gleichzeitig mit ihm in Paris sein und einen Jahrestag feiern. Sie frage sich, ob er Lust habe, sich mit ihr zu treffen, sie vielleicht zum Esseneinzuladen. Er wiederum fragte sich, was für ein Jahrestag das sein konnte. Sicher nicht der Hochzeitstag oder der katastrophale Tag, an dem Jon beschuldigt wurde, gegen das Geheimhaltungsgebot verstoßen und ein Dokument widerrechtlich weitergegeben zu haben. Waren sie so pervers, daß sie die Wiederkehr des Datums, an dem sie mit dem Ehebruch angefangen hatten, oder den Tag, an dem er ans Licht gekommen war, feierten? Nur Geduld, bald würde er es herausfinden. Hauptsache, daß sie ihn um eine Verabredung gebeten hatte. Er antwortete umgehend. Eine Woche später erhob er sich in dem Restaurant, wo er um Mary angehalten und von ihr das Jawort bekommen hatte, zu Charlottes Begrüßung von seinem Tisch an einem Fenster mit Blick auf den Garten des Palais Royal.
    Du siehst wunderschön aus, sagte er.
    Danke. Dieses Kostüm hat Renata ausgesucht. Ich hab mir gedacht, daß es dir gefällt.
    Er war nicht gerade erpicht darauf gewesen, ausgerechnet Renatas Namen gleich als erstes zu hören. Er ließ einen Augenblick vergehen, bevor er sagte: Wie nett von ihr.
    Als sie wieder etwas sagte, hatte ihre Stimme einen Unterton, der ihn erschreckte.
    Ja, wirklich sehr nett. Ich glaube, dir ist gar nicht klar, wie viel Renata für mich tut. So viel wie Mom, wenn sie noch am Leben wäre.
    Du hast Glück, Mädchen, antwortete er, laß uns jetzt Essen bestellen.
    Sie erzählte ihm überstürzt und eilig, daß Jon in Paris zu tun habe, was mit ein Grund für ihr beider Hiersein sei, daß er in der neuen Kanzlei glücklich sei und daß sie vielleicht den Beruf wechsle, falls sich ein attraktives Angebot auftue. Jetzt, da sie wieder mit Jon zusammen sei, störe es sie noch mehr, von Leuten umgeben zu sein, die alles überHarry Polk wüßten. Und sie könne es kaum noch ertragen, ihm jedesmal, wenn sie sich aus ihrem Büro herauswage, in die Arme zu laufen. Es bestehe Aussicht, daß eines der Museen jemanden mit ihrer Erfahrung im Organisieren von Special Events brauchen könne – Partys zu Eröffnungen, Ausstellungen und Festessen für Großspender. Sie glaube, so etwas würde sie mögen.
    Schmidt murmelte zustimmend. Vielleicht war es falscher Alarm: Dieses Essen konnte immer noch friedlich in harmlosem Geplauder verlaufen. Eine Art Präzedenzfall schaffen, der ihnen helfen könnte, miteinander auszukommen. Er erzählte ihr, wie er sich in Prag beinahe den Knöchel gebrochen hätte.
    Wie alt bist du, Dad? Fast vierundsechzig? Fünfundsechzig? Du mußt nahe dran sein. Etwas früh für Gleichgewichtsprobleme, aber wenn es bei dir soweit ist, solltest du dich an einen Stock gewöhnen.
    Er zeigte auf seinen Spazierstock, der an dem leeren Stuhl lehnte.
    Ständig, meine ich, entgegnete sie. Das hat der Doktor Jons Vater geraten. Ich merke schon, ich habe nicht an deinen Geburtstag gedacht. Übrigens, vielen Dank für den Scheck, den du mir zu meinem dreißigsten geschickt hast. Dafür habe ich mich wohl nie bedankt. Tut mir leid.
    Mir tut’s auch leid.
    Hey, du hast mich gar nicht gefragt, was für ein Jahrestag das ist. Jede Wette, daß du es nicht weißt. Oder doch?
    Er schüttelte den Kopf.
    Da sieht man, wie viel Aufmerksamkeit für mich du aufgebracht hast. Denk mal genau nach.
    Ehrlich, ich habe keine Ahnung. Sag es mir bitte.
    Sie kicherte unfreundlich. Kein Witz. Es ist der Jahrestag der Party, die du für deine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher