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Schlüsselherz (German Edition)

Schlüsselherz (German Edition)

Titel: Schlüsselherz (German Edition)
Autoren: Liv Abigail
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wurde Nathaniel verdammt heiß. „Meine Haarnadeln“, sagte sie. „Sie müssen eine mit Ihren Lippen herausziehen.“
    Das war wesentlich leichter gesagt als getan. Endlose Momente vergingen, in denen er hilflos mit dem Mund in ihrem nach Rauch und einem Hauch Patschuli duftenden Haar nach einer Haarnadel wühlte. Sie kamen dem Polizeipräsidium näher. Endlich hatte er es geschafft, und indem sich beide ein wenig verrenkten, gelang es ihm, die Nadel in Esras gefesselte Hände zu legen. Dann ging alles sehr schnell. In Sekunden hatte die Puppe sich selbst befreit und kurz darauf auch ihn. Das Türschloss der Kutsche war geknackt, während sich Nathaniel noch die wund gescheuerten Handgelenke rieb.
    Die Nacht lag still und dunkel da. Außer dem stetigen Klappern der Pferdehufe und dem Grollen der Räder war kein Laut zu hören. Alle Fenster der umliegenden Häuser waren schwarz. Nur von einem löchrigen Dach aus wurden sie von einer mechanischen Katze be o bachtet, die so reglos dasaß, dass Nathaniel vermutete, dass sie b e reits vor langer Zeit festgerostet war. Das holprige Kopfsteinpflaster raste in einer beängstigenden Geschwindigkeit an ihnen vorbei.
    „ Es ist ja nun kein Zug, aus dem wir springen müssen“, flüsterte Esra, als müsse sie sich Mut machen, und sprang im gleichen M o ment. Nathaniel war zu überrascht, um ihr nicht auf dem Fuße zu folgen. Unsanft landete er auf den Knien und schürfte sich die Handgelenke auf. Ach, seine gepflegten Künstlerhände, die die Fra u en so liebten! Ein Jammer!
    Esra stand bereits wieder und ließ ihm keine Zeit. „Kommen Sie, los, beeilen Sie sich! Wir müssen uns verstecken!“
    Doch nun war es Nathaniel, der eine bessere Idee hatte. „Ich wol l te es eben nicht laut aussprechen, falls der Polizeiwagen verwanzt ist“, murmelte er ihr zu. „Aber ich weiß, wo Valender ist, und höchstwahrscheinlich auch Cera. Und ich hoffe, dass ich auch weiß, wie wir dahin kommen.“ Sein Pferd tat doch nie, was es sollte. Die Chancen standen also nicht so schlecht, dass Coffee nicht nach Ha u se gelaufen war, sondern sich in der Nähe befand. Er pfiff laut und durchdringend auf zwei Fingern.
    „ Nathaniel, was tun Sie?“
    „ Ich hoffe, du magst Pferde, Esra?“
    „ Die echten Pferde? Aus Fleisch und Blut und Fell?“
    „ Genau die.“
    „ Ahm.“ Mit einem Mal wirkte sie nicht mehr so gelassen, sondern furchtsam, beinah e panisch. „Nein, die mag ich leider gar nicht.“
    „ Wirklich nicht? Nicht mal ein klitzekleines Bisschen?“
    Sie schüttelte hastig den Kopf. „Equinophobie.“
    Auch das noch. Nathaniel wollte gerade ein zweites Mal pfeifen, doch da vernahm er schon das lautstarke Poltern, das nur Hufe von der Größe von Suppentellern auf Londons Straßen schlagen kon n ten.
    „ Tut mir leid, Esra, aber damit hast du wohl die Arschkarte des heutigen Tages gezogen.“
     
    ***
     
    Valenders Füße fühlten sich taub und schwer an, wollten ihm den Dienst versagen; doch er zwang sich, den Kellerraum ohne Cera zu verlassen. Beharrlich versuchte er sich einzureden, dass sie Recht hatte: Melissa brauchte ihn. Allein konnte er sie nicht retten, nicht beide gleichzeitig.
    Er hatte die Treppe fast erreicht, als er die Männer oben lautstark reden hörte. Für einen Moment, der ihn bis tief in sein Inneres e r schreckte, glaubte er, sie hätten bereits bemerkt, dass Melissa nicht mehr im Schlafzimmer lag. Doch dann vernahm er die Worte, e r kannte, dass sie stritten und lauschte konzentriert.
    „ Ich akzeptiere jetzt keinen Rückzieher mehr.“ Eindeutig war das die Stimme von Dr. Harold, wenngleich Valender diese auch nie z u vor so kaltherzig empfunden hatte. „Du hattest Zeit genug, deine Bedenken loszuwerden und alles, was du die vergangenen Wochen wolltest, war eine verdammte Taufe – die habe ich dir zugesichert. Jetzt ist es zu spät, um noch mehr zu verlangen.“
    „ Ich konnte nicht ahnen, dass du das Mädchen entführen wü r dest“, erwiderte Fothergill. „Ich dachte, die Familie wäre einversta n den!“ Auch er war kurz davor zu schreien, aber in seinem Tonfall klang Unsicherheit mit. Vom ersten Wortwechsel an war zu erke n nen, wer von beiden den Ton angab. Valender gaben die Worte des ehemaligen Pfarrers dennoch Grund zu einem Quäntchen Erleicht e rung: Wenigstens hatte sein Vater nichts damit zu tun. Die Vorste l lung, Phillip Beazeley könnte seine eigene Tochter für okkulte Exp e rimente verkauft haben, war mehr als er zu ertragen
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