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Schlecht aufgelegt (German Edition)

Schlecht aufgelegt (German Edition)

Titel: Schlecht aufgelegt (German Edition)
Autoren: Sven Stricker
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Kopf.
    «Beschwerde», sagte Paul und fing sich die teils mitleidigen, teils gehässigen Blicke seiner Kollegen ein. Martin Schulte zog seinen linken Socken hoch. Die gierten auf so was, wusste Paul. Das waren die Höhepunkte ihres unglaublich langweiligen Lebens.
    Es dauerte keine drei Sekunden, da stand Herr Kletzke vor ihm. «Was ist denn hier los?» Er hatte die Brauen gehoben und schaute auf Paul herab wie ein Specht auf einen Regenwurm. «Beschwerde», antwortete Paul und bemühte sich, keinen Trotz zu demonstrieren. Es gelang nicht.
    Pauls Nachbar hob die Hand. «Ich bin Ulrich Kulenkampff, Herr Kletzke.»
    Herr Kletzke würdigte ihn keines Blickes. «Weshalb?», fragte er.
    «Weil meine Eltern mich so …», setzte Kuli an, aber das war Paul dann doch zu albern. «Kellermeier, Berlin, kein Vorname, keine Straße», unterbrach er.
    Herr Kletzke machte eine fordernde Geste. «Geben Sie mir mal Ihr Headset», verlangte er und zog sich, wohl wissend, dass alle Augen der Belegschaft auf ihn gerichtet waren, das Headset über den kahlen Schädel. Sandy Schorndorf biss in eine Möhre und sah hinreißend dabei aus.
    Herr Kletzke setzte ein einstudiertes Lächeln auf, denn er war ja geschult; er wusste, das Lächeln übertrug sich, auch wenn der Kunde ihn nicht sehen konnte. «Ja, guten Tag, Kletzke ist mein Name», sagte er, legte den linken Zeigefinger auf die Unterlippe und nickte im Sekundentakt.
    Der Neue beugte sich zu Paul hinüber. «Ich bin Kuli», sagte er, als wäre das nicht deutlich genug geworden.
    «Ja», sagte Paul.
    «Ich hab mich hier mal hingesetzt», sagte Kuli.
    «Das ist selbstverständlich ein Fehler», sagte Herr Kletzke. «Ja, natürlich. Das geht ganz nach oben, natürlich.»
    Paul sah sich schon bei Herrn Monschau. «Scheiße», sagte er.
    «Ich kann mich natürlich auch woanders hinsetzen», antwortete Kuli freundlich und warf einen Blick auf die anderen Plätze. Seine neuen Kollegen starrten wie aufs Stichwort angestrengt auf ihre Monitore. Herr Kletzke hatte den linken Zeigefinger von der Unterlippe genommen und stattdessen die rechte Hand flach auf seinen Kopf gelegt. Das sah selten dämlich aus und betonte die Schweißflecken unter seinen Armen.
    «Ach, wenn Sie wüssten, was wir für einen Beschäftigungsmangel haben», setzte er an. «Sonst würden die ja auch alle gar nicht hier arbeiten.» Paul glaubte sich verhört zu haben. «Bitte?», fragte er mehr zu sich selbst. Kuli hob die Schultern, schüttelte den Kopf und grinste.
    Herr Kletzke geriet jetzt richtig in Fahrt. Er schien in Herrn Müller oder Meier oder Moldau einen neuen Freund gefunden zu haben, vielleicht fuhren sie ja bald sogar gemeinsam in Urlaub. «Ja, also, wenn Sie jemanden wissen, der kann sich ja dann mal hier melden», wieherte er und machte eine ausladende Geste in Richtung seiner Belegschaft. So beruhigte man einen aufgeregten Kunden, sollte das heißen, und darum bin ich der Abteilungsleiter, und Sie sind nur die Telefonisten, sollte das heißen, und schauen Sie mich an, dann wissen Sie, wie das Leben funktioniert, sollte das heißen. Leider hatte Herr Müller oder Meier oder Moldau keinen Sichtkontakt zu Herrn Kletzke und offenbar etwas in den falschen Hals bekommen. Selbst Frau Gutschmidt in der hintersten Ecke musste das abrupte, löwenähnliche Gebrüll aus Pauls Headset vernommen haben, denn sie kramte in ihrer Tasche nach dem Asthmaspray, das sie immer nur herausholte, wenn sie eigentlich vor Schreck am liebsten in die Tasche hineinschlüpfen wollte. Herrn Kletzkes Lachen gefror, und er nahm Haltung an. «Nein, das kriegen Sie erstattet, das ist klar», sagte er ernsthaft. «Ja … auch … ja, auch unser Gespräch jetzt hier, klar. Natürlich.»
    Kuli hatte inzwischen ebenfalls ein Headset in der Hand und fummelte an seiner Telefonanlage herum.
    «Wo schließ ich das denn an?», fragte er. Paul dachte kurz nach, dann entschloss er sich, seinen ganzen Unmut an Kuli auszulassen.
    «Mann, da! Da in der Buchse. Das ist die einzige Buchse, wo das reinpasst. Sieht man doch», schnappte er und warf einen Kugelschreiber auf Kulis Platz. Ein guter Wurf, die Spitze zeigte genau auf die kleine Buchse, in die man das Kabel stecken musste.
    «War ja nur ’ne Frage.» Kuli schien nicht im mindesten beleidigt zu sein. Er gab Paul den Kugelschreiber zurück, sozusagen auf dem Silbertablett, artig wie ein Klassenesel. Paul konnte damit nicht umgehen. «Schon gut», sagte er und merkte, wie seine gerade aufflackernde
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