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Schlecht aufgelegt (German Edition)

Schlecht aufgelegt (German Edition)

Titel: Schlecht aufgelegt (German Edition)
Autoren: Sven Stricker
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Aggression auch schon wieder verpuffte. Warum aufregen, dachte er. Ein Job ist ein Job ist ein Job. Und nachher war Feierabend. Und der Regen ließ sicher auch irgendwann nach. Herr Kletzke war inzwischen auf der Zielgeraden angekommen.
    «Gut. Wiederhören, Herr Möhling. Ja. Wiederhören», sagte er beschwichtigend, drückte die rote Taste und riss sich das Headset vom Kopf. «Vollidiot», sagte er und meinte neben Herrn Möhling vermutlich auch alle Anwesenden.
    Kuli hob erneut die Hand. «Herr Kletzke …»
    Der schien ihn nun erstmals wahrzunehmen. «Wer sind Sie denn?»
    «Kulenkampff, Ulrich», antwortete Kuli.
    «Wie der Showmaster», ergänzte Paul genüsslich, aber Herr Kletzke wedelte Pauls Einwurf weg wie Karl Lagerfeld ein lästiges Nachwuchsmodel.
    «Ist mein erster Tag heute», führte Kuli weiter aus. «Der Herr Monschau hat mich in die Mittelschicht gesetzt.»
    «So, der Herr Monschau», sagte Herr Kletzke und schürzte die Lippen. Alle hier wussten, wie sehr sich Herr Kletzke und Herr Monschau hassten. Auf einer Weihnachtsfeier, so gegen halb vier in der Frühe, hatte Herr Monschau Pauls Kollegen Richard Schiefelbeck gestanden, dass er die Anstellung und Beförderung Herrn Kletzkes als größten Fehler seines Lebens betrachtete, noch vor der Heirat mit seiner frisch geschiedenen Exfrau Sabine, die ihm Haus, Hof und Kind genommen und eine Geschlechtskrankheit hinterlassen hatte. Das war zumindest das, was Richard Schiefelbeck von Herrn Monschau noch verstanden hatte. Paul kam plötzlich der Gedanke, dass Herr Monschau sie alle nur eingestellt hatte, um Herrn Kletzke zu ärgern.
    Kuli sah sich Hilfe suchend um. «Ja, und nun bin ich hier. Jetzt müsste mich halt mal jemand einarbeiten.»
    Herr Kletzke klatschte in die Hände. «Na, das kann ja dann gleich der Herr Uhlenbrock machen. Ich hab auf dem Monitor gesehen, dass Sie heute sowieso nicht mehr auf den Stundenschnitt kommen, Herr Uhlenbrock. Sie sind zu langsam.»
    «Aber ich habe doch gerade erst …», wollte sich Paul verteidigen, doch Herr Kletzke schnitt ihm mit einer Feldherrengeste das Wort ab.
    «Zu langsam und renitent. Schlechte Kombination. Bringen Sie Herrn Kuhlmann …»
    «Kulenkampff!», warf Kuli hilfsbereit ein.
    «… die nötige Technik bei, plus für Sie außerirdisches Tempo.»
    Ohne ein weiteres Wort schritt Herr Kletzke zurück auf den Hügel.
    «Super», freute sich Kuli.
    «Scheiße», sagte Paul.

[zur Inhaltsübersicht]
    Spaß macht das
    W ie, Spaß?», fragte Paul, stützte sich auf einen Stuhl und zog ein Gesicht, als hätte ihm jemand den Urlaub gekürzt.
    Kuli antwortete nicht sofort, er musste sich konzentrieren. Er versuchte nun schon zum dritten Mal, sich einen Latte macchiato aus dem so riesigen wie unförmigen Kaffeeautomaten zu ziehen, der nichts weniger war als das Herz der T2-Vermittlung, zentrale Anlaufstelle, Kontaktbörse und Trostspender zugleich. An diesem Kaffeeautomaten wurden Beförderungen beschlossen, Kollegen gemobbt und Schichtpläne geändert.
    Beim ersten Mal hatte Kuli vergessen, den Plastikbecher unter die Düsen zu stellen, beim zweiten Mal zwar die Milch hineinfließen lassen, dann aber den Becher weggezogen, bevor der Kaffee kam. Um sich nichts anmerken zu lassen, hatte er ein paar kräftige Schlucke der entsetzlich wässrigen Milch getrunken, den Rest unauffällig in den Ausguss gekippt und nun den Becher ein drittes Mal untergestellt. Paul hatte all das unkommentiert gelassen.
    Der Pausenraum, in dem sie sich befanden, war niemals für eine so große Anzahl von Telefonisten konzipiert worden. Es gab zwei kleine Tische, einen Kühlschrank, eine Spüle und ein paar selbstgemalte Bilder an der Wand, die der Belegschaft freundlicherweise von Frau Stefanie Baldrup aus der Kundenbetreuung zur Verfügung gestellt worden waren. Das verrieten kleine Hinweisschilder an den Rahmen, die gleichzeitig den Kaufpreis des jeweiligen Kunstwerks verrieten. Was genau auf den Bildern zu sehen war, wusste Paul nicht, irgendwas mit Meer und Blumen und Katzen, er hatte sich den Kram noch nie richtig angesehen. Er wusste nur, dass zumindest in den letzten zwei Jahren kein einziges Bild abgehängt worden war und Frau Stefanie Baldrups Nebenverdienstmöglichkeiten offensichtlich beschränkt waren.
    Es roch nach ewigem und nicht auszumerzendem kalten Rauch; früher, vor dem Nichtraucherschutz, war es hier zugegangen wie in einer Absturzkneipe nachts um halb fünf; in dem dichten Gedränge aus Rauchern und ihren
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