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Schlafende Geister

Schlafende Geister

Titel: Schlafende Geister
Autoren: Kevin Brooks
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wieder da … aufgeschlitzt, abgeschlachtet, ausgeblutet, tot …
    Und dann … ich weiß nicht recht, was geschah. Irgendetwas in mir zerriss. Ein wütender Schrei brach aus mir heraus, entlud sich tief aus dem Innern, und ich hob die Hände über den Kopf und schlug sie mit voller Wucht krachend gegen den Stuhl. Holz splitterte, ich spürte, wie ein Knochen der Hand brach, und als ich aufstand und nach den Resten des zerbrochenen Stuhls trat, waren meine Füße auf einmal frei.
    Ich drehte mich um und lief auf Bishop zu.
    Er hatte Bridget inzwischen fast erreicht. Er war noch ungefähr zwei Schritte von ihr entfernt, lief merkwürdig, aber entschlossen, zog das verletzte Bein nach, und ich sah, wie er die Lippen bewegte, als er sich lautlos etwas zuflüsterte. Er schien sich meiner Gegenwart immer noch nicht bewusst, doch als er sich zu Bridget hinunterbeugte und das Messer auf ihr Gesicht zubewegte, stieß ich einen weiteren ohrenbetäubenden Schrei aus, der ihn erstarren ließ. Einen Moment rührte er sich nicht, runzelte nur unwillkürlich die Stirn, und dann – als er sich zu mir umdrehte – trat ich ihm das Messer aus der Hand und warf mich ihm entgegen. Wir beide krachten zu Boden, und ehe er die Chance hatte, sich zu wehren, rammte ich ihm meinen Kopf ins Gesicht, brach ihm die Nase und schnappte nach der Pistole. Er versuchte, seine Hand wegzureißen, doch er war zu schwach, um noch richtig zu kämpfen, und nachdem ich die Hand mehrmals gegen den Boden geschlagen hatte, ließ er die Pistole los.
    Ich packte sie, stieß ihm den Lauf in den Hals und manövrierte mich so hin, dass ich auf seiner Brust saß und mit den Knien seine Arme am Boden gepresst hielt.
    Jetzt hatte ich ihn.
    Er konnte sich nicht mehr rühren.
    Er gehörte mir.
    Ich warf einen Blick über die Schulter zu Bridget. Sie hatte sich nicht mehr bewegt, seit Bishop ihren Kopf gegen die Wand geknallt hatte – sie lag noch immer in einem zusammengesunkenen Haufen am Boden.
    »Bridget?«, sagte ich. »Bridget … ist alles in Ordnung mit dir?«
    Sie antwortete nicht.
    »Bridget? Hörst du mich?«
    Immer noch keine Antwort.
    »Die ist wohl hinüber«, murmelte Bishop.
    Ich drehte mich wieder zu ihm um und zielte mit der Pistole auf seinen Kopf. Er schaute kraftlos zu mir hoch, Blut drang ihm in Blasen aus der gebrochenen Nase, er versuchte zu lächeln. »Du bringst mich nicht um, John«, sagte er. »Dazu hast du nicht den Mumm.«
    Ich starrte ihn an, ließ ihn das Loch in meiner Seele sehen, und als er es sah und erkannte, was es bedeutete, geriet er plötzlich in Panik.
    »Nein!«, prustete er, sich windend und wehrend. »Bitte nicht –«
    »Die Zeit ist um«, hörte ich mich sagen und mein Finger spannte sich um den Abzug. »Kein Gequatsche mehr.«
    Und dann flog krachend die Wohnzimmertür auf.
     

32
    Mick Bishop schritt ins Zimmer – ganz der Polizeibeamte: vorsichtig, aber selbstbewusst und zu allem bereit – und er brauchte nur ein, zwei Sekunden, um die gesamte Situation zu erfassen. Er sah mich auf der Brust seines Bruders sitzen, mit der Pistole an Rays Kopf; er sah Bridget bewusstlos am Boden liegen; er sah Walters toten Körper, den zerbrochenen Stuhl, die Fesseln, das Blut … und dann richtete er seinen Blick fest auf mich und bewegte sich auf mich zu.
    »Ist gut, John«, sagte er ruhig. »Legen Sie einfach die Waffe nieder –«
    »Bleiben Sie stehen«, erklärte ich ihm und drückte den Pistolenlauf gegen Rays Kopf. »Wenn Sie einen Schritt näher kommen, bring ich ihn um.«
    Er blieb stehen und hielt beide Hände hoch, die Handflächen zu mir. »Ist gut, ist gut … ganz ruhig.«
    »Hallo, Micky«, hörte ich Ray sagen. »Wieso hast du so lange gebraucht?«
    »Ray«, sagte Bishop. »Alles in Ordnung mit dir?«
    »Seh ich etwa so aus? Ich meine, Scheiße verdammt, schau dir an, was diese verfickte Hure gemacht hat.«
    Plötzlich verstummte er, als ich ihm die Pistole gegen seine gebrochene Nase stieß und ihm dann den Lauf in den Mund rammte.
    »John«, hörte ich Mick sagen. »Bitte, nicht …«
    Ich stieß die Waffe noch fester hinein, bis in die Kehle … und ich wusste, dass ich jetzt woanders angekommen war. Es reichte mir nicht mehr, ihn zu töten; ich wollte ihm wehtun. Ihm wehtun und ihn dann töten … so wie er es bei Anna getan hatte …
    »John!«
    Und bei all den anderen Mädchen …
    »John!«
    Ihn leiden lassen …
    »Verdammt, Sie bringen ihn um !«
    So wie Stacy gelitten hatte …
    »Er kriegt
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