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Schlafende Geister

Schlafende Geister

Titel: Schlafende Geister
Autoren: Kevin Brooks
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der Telefonstecker zertrümmert.
    »Du hättest mich in Ruhe lassen sollen, John«, sagte Bishop.
    »Schauen Sie«, fing ich an und drehte mich wieder zu ihm um. »Es gibt keinen Grund –«
    »Du hast doch gesehen, was ich mit der anderen Hure gemacht habe, oder?«
    »Anna Gerrish?«
    Er nickte. »Ich mochte sie. Deshalb hab ich sie geschont. Wenn du mich anpisst, schone ich die da nicht.« Er deutete mit dem Kopf in Richtung Bridget. »Ich schneide ihr die Scheiße aus dem Leib. Hast du verstanden?«
    »Ja.«
    »Gut.« Er legte den Kopf schief und sah mich nachdenklich an. »Weißt du … einen Mann hab ich noch nie getötet.«
    »Nur Frauen.«
    »Ich sehe sie immer als Mädchen , nicht als Frauen … keine Ahnung, wieso. Ich nenne sie einfach so. Frau ist so ein hässliches Wort, findest du nicht auch? Das klingt so alt und stumpf und ausgetrocknet… verstehst du, was ich meine?« Er lächelte. » Frau schmeckt einfach nicht so wie Mädchen .«
    »Wie viele haben Sie ermordet?«
    Er sah mich ruhig an. »Ich weiß, was du willst.«
    »Ich will überhaupt –«
    »Du spielst auf Zeit, du versuchst, mich am Reden zu halten … stellst mir völlig sinnlose Fragen. Das ist ganz natürlich … ein paar Minuten mehr herauszuschinden, ein paar Sekunden Leben.« Er sah mich an. »Jeder versucht das. Niemand will sterben, egal wie groß seine Schmerzen sind oder wie armselig sein Leben ist … wir versuchen alle um jeden Preis, ein, zwei Augenblicke länger zu leben.« Er kratzte sich den Nasenflügel. »Wie viele ich getötet habe? Du wirst der neunundzwanzigste sein, John. Was bedeutet, deine Hure da drüben hat die Ehre, Nummer dreißig zu werden. Was sagst du dazu?«
    »Wieso tun Sie es?«
    »Wieso tut man irgendwas ?«
    Mir fiel keine Antwort auf seine Frage ein, deshalb starrte ich ihn bloß weiter an. Natürlich hatte er recht – ich spielte auf Zeit. Was sollte ich sonst tun? Ich hielt ihn am Reden, dachte nach, hielt an der Vorstellung fest, dass es doch irgendwas geben musste, was uns beide hier rausbrachte …
    Ich warf einen Blick zu Bridget hinüber. Sie weinte noch immer, wirkte noch immer vom Schock gelähmt … doch als sich unsere Blicke trafen, schob sie ihren Arm hinter dem Rücken vor und ließ mich das kleine Klappmesser in ihrer Hand sehen. Die Stricke, die das Handgelenk an die Heizung fesselten, waren durchgeschnitten, und als Bridget den Arm schnell wieder nach hinten zurückzog, begriff ich, dass sie das Messer irgendwie aus der Gesäßtasche geangelt und sich losgeschnitten haben musste.
    »Es gefällt mir«, sagte Bishop.
    Ich sah ihn an. »Was?«
    »Zu töten … es gefällt mir. Deshalb tu ich es. Weil es mir gefällt. Manche Leute mögen Käse, manche Leute tanzen gern … mir gefällt es zu töten.« Er sah mich an. »Das ist alles, was dahintersteckt. Zufrieden?«
    »Ihr Bruder –«
    »Die Zeit ist um«, sagte er und schüttelte den Kopf. »Kein Gequatsche mehr.«
    »Er weiß Bescheid, nicht wahr? Er weiß, was Sie tun.«
    Bishop ignorierte mich und schaute auf den Tisch.
    Ich sagte: »Er hat sich die ganze Zeit um Sie gekümmert, seit Sie das Haus Ihrer Eltern niedergebrannt haben, damals, als Sie beide noch Kinder waren. Seitdem Sie das erste Mal getötet haben. Das tut er mit all seinem Geld. Er kümmert sich um Sie, er versorgt Sie …«
    Bishop nahm die Pistole vom Tisch.
    »Die Polizei weiß alles über Sie«, sagte ich. »Ich habe ihnen alles erzählt.«
    »Hast du nicht«, sagte er überzeugt und stand auf. »Der Einzige, der über mich Bescheid weiß, ist das dürre Stück Scheiße mit dem Hut, der, den wir ins Krankenhaus befördert haben. Micky wird sich um ihn kümmern. Und abgesehen davon, vor morgen früh findet dich sowieso niemand und bis dahin bin ich längst über alle Berge.« Er bewegte sich langsam auf mich zu, die Pistole in der Hand. »Das Haus in der Long Road wird leer sein und Joel R. Pickton verschwunden. John Craines Leiche wird man – offenbar erschossen durch eigene Hand – im selben Zimmer finden wie die verstümmelte Leiche von Bridget Moran.« Er blieb vor mir stehen, die Pistole an seiner Seite. »Und was, glaubst du, werden sie wohl finden, wenn sie deine Taschen durchsuchen, John?« Er nickte. »Genau … eine Kette mit silbernem Halbmond, die Anna Gerrish gehört hat.« Er hob die Pistole und richtete sie auf meinen Kopf. »Stell dir vor, John … stell dir einfach mal vor, was sie sich da wohl zusammenreimen werden. Der Mann, dessen
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