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Schlafende Geister

Schlafende Geister

Titel: Schlafende Geister
Autoren: Kevin Brooks
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langsam. »Ja, Entschuldigung … Entschuldigung …«
    Während sie um den Stuhl herumging und die Stricke von meinen Gelenken schnitt, schaute ich zu Bishop. Er hatte sich nicht gerührt. Er lag noch immer am Boden, ein einziges blutiges Chaos, aber ich sah jetzt, dass er atmete. Er lebte noch.
    Ich spürte, wie Bridget die Fesseln um meine Handgelenke durchsäbelte.
    »Geht’s?«, fragte ich sie und zuckte leicht, als das Messer mir in die Hand schnitt.
    »Ja …«, murmelte sie. »Entschuldigung …«
    »Schon gut. Mach einfach weiter.«
    Ich spürte, wie sich einer der Stricke löste und dann noch einer … dann, endlich, waren meine Hände frei. Während ich sie nach vorn nahm und gegeneinanderrieb, um das Blut wieder einströmen zu lassen, kam Bridget um den Stuhl, hockte sich vor meine Füße und schnitt an den Fesseln herum, mit denen die Fußgelenke gefesselt waren. In ihren Bewegungen lag eine beunruhigende Besessenheit, in ihren Augen eine traumatisierte Konzentration … und ich wusste, dass sie schrecklich litt.
    Ich streckte die Hand aus und legte sie ihr vorsichtig auf die Schulter.
    Sie zuckte zurück.
    »Hey«, sagte ich leise. »Alles in Ordnung. Ich bin’s …«
    Sie zögerte einen Moment, dann sah sie zu mir hoch. Ihr Gesicht war voller Blut und Tränen. »Er hat Walter getötet, John«, sagte sie mit einem gebrochenen Flüstern in der Stimme. »Er hat Walter getötet …«
    Die plötzliche Bewegung hinter ihr spürte ich eher, als dass ich sie hörte, und als ich aufschaute und sah, wie Bishop auf uns zustürzte, wusste ich, dass es zu spät war. Ehe ich etwas dagegen tun konnte, hatte er Bridget an den Haaren gepackt, riss sie von mir weg und zerrte sie mit brachialer Gewalt durchs Zimmer. Er sah aus wie ein Monster – blutüberströmt und zerschunden, vollkommen wahnsinnig – und fauchte sie an wie ein Tier.
    » Scheiß Schlampe … Fotze … verfickte Hure … «
    Ich warf mich ihm hinterher, doch meine Füße waren noch an den Stuhl gefesselt und ich krachte mit voller Wucht zu Boden. Blitzschnell kroch ich auf die Knie, fasste nach hinten an meine Füße und riss verzweifelt an den halb durchtrennten Fesseln, doch sie gaben nicht nach. Ich schaute durchs Zimmer und sah, dass Bishop an der gegenüberliegenden Wand stehen geblieben war. Er hielt noch immer Bridgets Haare gepackt, und als ich auf sie zukroch, mit den Armen vorwärtsrobbte und den Stuhl hinter mir herzog, sah ich, wie er sich herunterbeugte und ihr ins Gesicht spuckte.
    »Mach den Mund auf, Fotze «, zischte er sie an.
    »Fick dich«, antwortete sie und spuckte zurück.
    Eine Sekunde lang starrte er sie mit irren Augen an, dann riss er ihren Kopf mit einem primitiven Grunzen zurück und knallte ihn mit voller Wucht gegen die Wand. Der Aufprall war widerlich, ein schauerlicher Schlag von Knochen auf Stein, und ich sah hilflos zu, wie Bridget zu einem leblosen Haufen zusammensackte.
    Ich war noch immer erst halb durch das Zimmer gekrochen, und als Bishop sich von Bridget abwandte und umdrehte, glaubte ich, er suche nach mir. Ich hörte auf zu kriechen und starrte ihn an, in der sicheren Erwartung, dass er sich jeden Moment auf mich stürzen würde, doch seine Augen blickten über mich hinweg, als ob ich gar nicht da wäre. Und dann begriff ich. Er suchte nicht nach mir – ich war ihm scheißegal –, er suchte nach seinem Messer. Er wollte Bridget mit dem Messer erledigen. Und als sich seine Augen weiteten und er sich auf den Weg durchs Zimmer machte – nach vorn gebückt, sich den Bauch haltend und schwer humpelnd –, wusste ich, er hatte es gefunden. Auch ich konnte das Messer sehen – halb versteckt hinter dem Sofa – und mir war klar, kriechend könnte ich nicht verhindern, dass er es zu fassen bekam … und mit dem Messer in der Hand zu Bridget zurückkehrte.
    Ich musste meine Beine freikriegen.
    Wenn nicht …
    Ich setzte mich auf und zerrte wie besessen an den Fesseln, riss an den Knoten … doch die Stricke waren aus Nylon, die Knoten zu fest … Ich warf einen Blick über die Schulter und sah, wie Bishop sich mühsam nach vorn beugte, um das Messer aufzuheben. Er hielt einen Moment inne, trat hinter das Sofa und beugte sich noch einmal nach unten, um etwas anderes aufzuheben. Als er sich aufrichtete und zu Bridget zurückkehrte, sah ich, dass er das Messer in der einen Hand, die Pistole in der anderen hatte.
    Ich schaute hinüber zu Bridget und nur für Sekunden war die Erinnerung an Stacy
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