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Schlafende Geister

Schlafende Geister

Titel: Schlafende Geister
Autoren: Kevin Brooks
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Taschen abtastete, bis ich die Zigaretten gefunden hatte. Ich hörte, wie ich Bridget fragte, ob es ihr etwas ausmache, wenn ich rauchte, und wie sie sagte: »Irgendwo steht eine Flasche Whisky. Sarah trinkt gern mal einen guten Tropfen Malt … wahrscheinlich ist er da drüben im Schrank. Nimm dir was, wenn du magst.«
    Und wie ich geantwortet hatte: »Nicht nötig, danke.«
    Ich erinnerte mich an all das. Aber wann das gewesen war … davon hatte ich keine Vorstellung. Heute? Gestern? Diese Woche? Letzte Woche?
    Mein Kopf war leer.
    Ich konnte mich einfach nicht erinnern.
    Ich ging ins Wohnzimmer zurück, setzte mich neben sie und zündete eine Zigarette an.
     
    Bishop brauchte etwa vierzig Minuten – und mindestens zehn verschiedene Anrufe –, um alles zu regeln, doch schließlich steckte er das Handy in die Tasche und setzte sich aufs Sofa.
    »Gut«, sagte er zu mir und warf einen Blick auf seine Uhr. »Alles erledigt. Gleich kommen ein paar Leute vorbei, die die Leiche wegbringen und alles sauber machen. Sie werden keine Zeit haben, alles forensisch sauber zu kriegen – und es wäre auch zu riskant, mitten in der Nacht alle Teppiche rauszureißen –, aber sie werden dafür sorgen, dass keine sichtbaren Spuren zurückbleiben.« Er schaute wieder auf die Uhr. »Morgen lasse ich das mit Rays Haus erledigen und den Rest … na ja, darüber müssen Sie ja nicht Bescheid wissen.«
    »Was ist mit mir?«
    Er zuckte die Schultern. »Was soll mit Ihnen sein?«
    »Was passiert jetzt?«
    »Gar nichts.«
    »Ihr Bruder war ein Serienmörder.«
    »Und jetzt ist er tot.«
    »Sie haben ihm geholfen , all die Menschen umzubringen.«
    »Was hätten Sie denn getan, John? Wenn jemand, den Sie lieben, die einzige Person, die Ihnen je etwas bedeutet hat …« Er seufzte und rieb sich die Augen. »Ich meine, stellen Sie sich vor, Stacy hätte Menschen getötet und Sie hätten es rausgefunden. Was hätten Sie getan?«
    »Aber sie hat niemanden –«
    »Aber wenn. Hätten Sie sie dann aufgegeben? Hätten Sie sie für den Rest ihres Lebens in Broadmoor einsperren lassen? Hätten Sie das?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung …«
    »Ich hab getan, was ich tun musste, John. Ich hab den Tod von ein paar wertlosen Menschen für das Leben meines Bruders in Kauf genommen. Ob richtig oder falsch, das war’s, was ich getan habe. Wenn Sie wollen, können Sie mich dafür verurteilen …«
    »Es ist nicht an mir, Sie zu verurteilen. Das ist Sache der Gerichte.«
    Er schniefte. »Wenn ich vor Gericht muss, sind Sie auch dran. Dafür, dass Sie Anton Viner getötet haben. Deshalb wird keinem von uns was passieren. Ich weiß, was Ray getan hat, Sie wissen, was ich getan habe – und was ich gerade gemacht habe –, und ich weiß, was Sie getan haben. Wir sitzen im selben Boot, John. Entweder gehen wir zusammen unter oder wir überleben zusammen. Und wenn wir beide untergehen – ich wüsste nicht, wofür das gut sein soll … welchen Sinn hat das? Wem nützt es?«
    »Wem nützt es, wenn wir überleben? Für wen bringt das etwas?«
    Er lächelte. »Sie sind echt ein Spaßvogel.«
    Ich lächelte nicht zurück. »Was ist mit Cal?«
    »Cal Franks?« Bishop zuckte die Schultern. »Er tut das Gleiche wie wir – er hält über alles sein Maul.«
    »Und wenn nicht?«
    »Dann muss ich nur ein paar Gruseltypen anrufen, die bei Cyberterroristen keinen Spaß verstehen. Und nachdem sie mit ihm fertig sind, kann er froh sein, wenn er noch weiß, was ein Computer ist, gar nicht zu reden davon, wie man einen benutzt.« Bishop lächelte mich wieder an. »Sonst noch Sorgen?«
    »Was werden Sie mit den Ermittlungen im Fall Anna Gerrish machen?«
    »Nichts … ich werde das Ganze noch ein bisschen weiterköcheln lassen, so tun, als ob ich nach Viner suche, und dann langsam Gras drüber wachsen lassen. Niemanden wird es interessieren. Es ist nur ein Mord von vielen … die Medien haben ihn garantiert bald vergessen.«
    »Sie haben alles im Griff, was?«
    Er nickte. »So bin ich eben.«
    »Macht Ihnen das Spaß?«
    Er zuckte nur wieder die Schultern. »So bin ich eben.«
    Ich sah ihn an und war es leid, zu reden. Ich wollte nur noch, dass alles vorbei war. Ich wollte allein sein. Ich wollte zu Hause sein, in meinem Sessel unter dem hohen Fenster sitzen, im Dunkeln Whisky trinken, auf das Flüstern der Geister horchen …
    Unten klingelte es.
    »Das werden sie sein«, sagte Bishop, stand auf und ging zur Tür.
    »Ich will die Waffe zurück«,
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