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Das Herz der Kriegerin

Das Herz der Kriegerin

Titel: Das Herz der Kriegerin
Autoren: Corina Bomann
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Prolog
    Paris, Mai 1418
    S till!«, flüsterte
Sayd, eine Hand über unsere Köpfe erhoben, als wollte er uns segnen, während er
vorsichtig um die Ecke spähte. Sein dunkles Haar und sein Gesicht hatte er unter
einem schwarzen Tuch verborgen, das nur die Augen freiließ, sein Körper steckte
in einem schwarzen Waffenrock ohne jegliche Abzeichen. Nur die beiden langen
Dolche, die er an der Seite trug, verrieten sich durch den silbrigen Glanz der
Knäufe.
    Auch ich trug von Kopf bis Fuß Schwarz, eng anliegend, um mich
möglichst schnell bewegen zu können. Anfangs hatte Sayd Bedenken gehabt, ich
könnte aufgrund meines Busens als Mädchen erkennbar sein, doch dem hatte ich mit
einem festen Verband abgeholfen. Neben mir nestelte David an seinem Tuch, das er
ein wenig zu straff um sein Gesicht geschlungen hatte und unter dem dennoch
immer wieder ein paar vorwitzige rote Haarsträhnen hervorlugten. Vincenzo
dagegen strich sein Wams glatt, als ginge es darum, das Herz einer schönen
Pariserin zu gewinnen.
    Unter uns war auch ein Sterblicher, Tanneguy du Chastel. Dem
Stadtvogt von Paris war es mit unserer Hilfe gelungen, rechtzeitig aus seinem
Haus zu fliehen. Schon vor einigen Tagen, als sich der Angriff der Bourguignons
abzeichnete, waren wir bei ihm aufgetaucht und hatten um Gehör ersucht. Dabei
stellte sich heraus, dass er ein absolut treuer Parteigänger des Dauphin war und
ihn ebenfalls um jeden Preis retten wollte.
    Dass der Angriff so schnell erfolgen würde, hätten aber selbst wir
nicht erwartet …
    Gegen den breiten Steinquader hinter uns gepresst, lauschten wir
den qualvollen Schreien, die von der anderen Straßenseite zu uns herübergellten.
Wenn es eine Hölle gab, dann war ihr Name in dieser Nacht Paris.
    Die Fehde zwischen den Armagnacs und den Bourguignons hatte eine
traurige Wendung genommen. Die Partei von Dauphin Charles hatte enorm an Ansehen
verloren. Es waren Pariser gewesen, die dem Feind die Tore geöffnet hatten.
Einen größeren Verrat gegen den zukünftigen Regenten konnte es nicht geben.
    Nicht nur Mitglieder der verhassten Familie selbst strömten nun in
die Stadt, etliche Burgunder hatten sich ihnen angeschlossen. Die Söldner
metzelten ohne Ansehen der Person alles und jeden nieder. Selbst Frauen und
Kinder wurden auf die Straße gezerrt, vergewaltigt und getötet. Am liebsten
hätte ich mich der Streitmacht mit meinem Leib entgegengeworfen, doch Sayd hatte
mich zurückgehalten, nachdem ich zumindest ein paar Frauen vor dem sicheren Tod
bewahrt hatte.
    »Du kannst nicht ein ganzes Heer allein besiegen«, sagte er
traurig, als ihn mein zorniger Blick traf. »Jene, die du hier rettest, werden am
anderen Ende der Stadt erneut überfallen. Wir müssen an unser Vorhaben denken,
so schwer es dir auch fällt.«
    Dafür hasste ich ihn, doch ich wusste, dass er recht hatte. Auch
wenn wir mit ungewöhnlichen Gaben gesegnet waren, konnten wir nicht die ganze
Welt vor Verderben und Tod bewahren.
    Jetzt, da wir uns dem Königshof näherten und sahen, dass die
Wachen das Weite gesucht hatten, hätte ich Sayd am liebsten erneut die Frage
gestellt, warum wir unbedingt diesen Jungen retten mussten, wo nicht einmal
seine eigenen Männer ihm beistanden!
    War es nicht so, dass Könige kamen und gingen, Geschlechter
abgelöst und ausgelöscht wurden? Was unterschied die Armagnacs von anderen?
Zumal es diese Königsfamilie gewesen war, die vor hundert Jahren den Katharern
nach dem Leben getrachtet hatte!
    Doch wie immer war es eine Vision, die Sayd leitete. Er hatte uns
erzählt, dass er diesen Jungen gesehen hatte, wie er den französischen Thron
besteigen und Frieden von dem schon fast hundert Jahre währenden Krieg bringen
würde – vorausgesetzt, er würde diese Nacht überleben.
    »Seid Ihr bereit, Tanneguy?«, fragte Sayd den Sterblichen, dessen
Angst wir unangenehmer Weise alle riechen konnten.
    »Wenn ich diesen verdammten Burgunderfürsten in die Finger kriege,
werde ich ihn töten«, brummte Tanneguy und griff unter sein Gewand.
    »Das halte ich für keine kluge Idee«, entgegnete Sayd, während er
den Blick nicht von der Straße ließ. »Ihr solltet Euch besser die Dankbarkeit
Eures zukünftigen Königs sichern!«
    Tanneguy brummte etwas in seinen ungepflegten Bart, das ich nicht
verstand, dann nickte er.
    Sayds Körper spannte sich plötzlich. Die Ursache waren vier
Burgunder, die dem Schlosshof zustrebten. Ohne Wache vor dem Tor würden sie
freien Zutritt zum Dauphin haben.
    »Los!«
    Das leise
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