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Das Herz der Kriegerin

Das Herz der Kriegerin

Titel: Das Herz der Kriegerin
Autoren: Corina Bomann
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das Leben, das
Malkuth führte, bestenfalls als bloßes Dahinvegetieren bezeichnen. Der letzte
Zusammenstoß mit Sayd, Laurina und den anderen Sephira hatte seine Spuren
hinterlassen, Spuren, die der halbe Lebensquell in seiner Brust nicht zu heilen
vermochte. Nur ein Auge konnte er noch gebrauchen, das andere war durch Hassans
Tod und das Ausfahren des Dschinn erblindet. Sein linker Arm war taub, denn er
war falsch zusammengeheilt. Und noch immer bestand der Pakt zwischen ihm und
Aisha Qandisha, der Dschinnkönigin, was er mittlerweile als herben Nachteil
empfand. Was hatte sie ihm schon eingebracht? Nur auf den eigenen Vorteil
bedacht war sie und überdies schuld daran, dass er hier frieren musste. Bei den
ersten Anzeichen dafür, dass der englische König in den Krieg zu ziehen
beabsichtigte, hatte sie darauf bestanden, hierher zu reisen. Und jetzt hockte
er hier, während sie auf den Schlachtfeldern reiche Ernte hielt.
    Um wieder zu gesunden, zu seiner alten Stärke zurückzufinden und
sich seiner Bündnispartnerin zu entledigen, benötigte er das Elixier einer Lamie
– doch konnte er erneut versuchen, Laurina einzufangen?
    Mittlerweile waren weitere hundert Jahre vergangen, in denen sie
gereift war und sicher neue Kräfte entwickelt hatte. Nein, in seinem jetzigen
Zustand konnte er ihr nicht gegenübertreten. Wahrscheinlich würden sie und seine
eigene undankbare Brut ihn dann endgültig in den Schlund der Hölle jagen.
    Doch es gab Hoffnung. Seine Derwische hatten kurz vor seiner
Abreise in den Norden eine alte Schrift aus Alexandria entdeckt, in der von den
Gräbern der Schlafenden die Rede war. Kaum jemand kannte die alte Legende, doch
Ashala, seine treue Ashala, hatte sie einst ihm und Sayd erzählt.
    Ein böses Lächeln huschte über Malkuths Gesicht. Sayd bräuchte nur
etwas von Laurinas Elixier zu nehmen, um eine Armee von Unsterblichen zu
erschaffen, doch sein Ehrgefühl stand dem entgegen. Nein, er würde seine
kostbare Lamie nie verletzen.
    Aber ich werde es tun, dachte Malkuth. Wenn meine Derwische in den
Gräbern der Schlafenden finden, was sie suchen, werde ich die Sephira und ihre
Lamie vor die Wahl stellen: auf meine Seite wechseln – oder sterben.

Erstes Buch
    Die Entscheidung des Prinzen
Winter 1418/1419

1
    A n diesem glutheißen Nachmittag, er stand auf dem höchsten Turm der Ordensburg und überblickte die Weiten der roten Wüste, glaubte Ashar zu verstehen, warum dies Sayds Lieblingsplatz war. Zwar herrschte hier keine Stille – der heiße Wüstenwind heulte wie eine Horde Schakale um das Gemäuer –, doch man hatte das Gefühl, über den Dingen zu stehen. Nachdenken zu können.
    Es gab in letzter Zeit viel, worüber Ashar nachdenken musste. Würden sie die Burg irgendwann wieder verlassen können? Richtig verlassen, um ein Abenteuer zu suchen? Oder würde Sayd sie hier auf ewig warten lassen, zur Untätigkeit verdammt? Untätigkeit war das Schlimmste für einen Krieger.
    Vielleicht wurde er deshalb immer häufiger von Melancholie heimgesucht. Oder lag es daran, dass er schon viel zu lange allein mit Malik, dem nicht gerade heitersten und gesprächigsten seiner Brüder, an diesem Ort lebte? Nein, mir fehlt der Kampf, beschloss er für sich. Die Übungen mit Malik sind nur ein schwacher Ersatz dafür, einem echten Gegner gegenüberzustehen.
    Neidvoll hatte er Laurinas Berichte über die Kämpfe mit den Dschinn gelesen – zu gern hätte er diese Rauchteufel seinen Stahl schmecken lassen! Doch Sayd hatte ihnen geboten, weiterhin hier zu verharren und die Burg nur dann zu verlassen, wenn es nötig war.
    Flügelschlag wischte sein Selbstmitleid fort. Eine Taube!
    Als er zur Seite blickte, sah er sie – und den Greifen, der sie mit einem schrillen Schrei vor sich hertrieb. Kein Zweifel, die Taube trug eine Nachricht seiner Freunde bei sich! Eine Nachricht, die jedoch für immer verloren sein würde, wenn der Greif den Vogel schlug.
    Ohne Zeit zu verlieren, griff Ashar nach einem der Bögen, die im Turmzimmer aufgereiht waren. Was für ein prachtvolles Tier, dachte er, als er auf den Raubvogel anlegte, dessen Spannweite die Größe eines ausgewachsenen Mannes hatte. Es wäre ein Jammer, es zu töten, wo es doch nur tat, was Gott seiner Art auferlegte hatte.
    Leise ächzte der Bogen, als er die Sehne spannte, dann surrte der Pfeil auch schon durch die Luft. Nach kurzem Flug erreichte er den Greifen, streifte seinen Bauch und riss ein paar Federn mit sich. Das Tier stieß einen schrillen Laut
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