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Schiffe versenken

Schiffe versenken

Titel: Schiffe versenken
Autoren: Mark Chisnell
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den Strand gelockt. Das hieß, dass nicht er den schrecklichen Fehler gemacht, sondern sich dieser Abschaum mit dem Eigner zusammengetan hatte, um die Versicherungssumme zu kassieren. Und gleichzeitig verstand Hamnet auch, warum er in Muntok auf die Order des Eigners für eine Ladung warten musste, die nie eingetroffen war. Natürlich hatte man ihn in Wirklichkeit auf den nächsten Monsunsturm warten lassen, damit bei möglichst schlechter Sicht auch noch das Radar weitgehend unbrauchbar wurde.
    Hamnet hörte, wie sich jemand bewegte, und sah durch den Türspalt einen Mann mit einem brutalen, faltenreichen Gesicht im Korridor auftauchen. Er hatte kurz geschorene, rötlichbraune Haarstoppeln und trug einen schäbigen US-ArmyKampfanzug und schwarze, hohe Lederstiefel. In der Rechten hielt der Kerl einen großen altmodischen 6-Schuss-Revolver, und als er den Lauf nervös gegen die Wand tickte, erklang das helle Geräusch, wenn Stahl auf Stahl trifft.
    Als er zu sprechen begann, war es der amerikanische Akzent von vorhin. »Bring die Crew um und lass die Leichen im Laderaum verschwinden – auf keinen Fall dürfen sie zu schnell zu finden sein. Und lass die Boote zu Wasser – wir wollen den Rettern doch ein bisschen was zum Knobeln geben.«
    Angst, ja Panik durchzuckte Hamnet. Eine zweite Stimme – ebenfalls mit amerikanischem Akzent, aber tiefer als die erste, rauer und deutlich vertrauter mit den Staaten, antwortete: »Wir haben eine Frau gefunden. Sie ist die Frau vom Kapitän, sagt sie, aber der war nicht bei der Mannschaft. Sie ist, em …«, der Mann zögerte, »sie hat ein Balg im Bauch.«
    Das Ticken mit dem Revolverlauf hörte auf, und gleichzeitig begann Hamnet zu zittern, sein Mund öffnete sich zu einem stillen Schrei, und er presste die Fingernägel tief in seine Handflächen, um sich in den Griff zu bekommen und nicht einfach wild auf das Schwein einzuprügeln.
    Aber der erste von den beiden hatte sich bereits umgedreht und ging weiter, während er sagte: »Ich hol’ erst mal die Ladungsund die Crewliste aus dem Büro vom Kapitän. Wir müssen wissen, ob wir alle geschnappt haben. Und lass die Crew noch am Leben – vielleicht brauchen wir sie, um den Skipper aufzuscheuchen. Aber sag ihnen, dass sie sich während des Ausladens am Riemen reißen sollen.«
    Hamnet gelang ein kurzer Blick auf den zweiten Mann, als dieser an der offenen Tür vorbeiging: Er war groß, unrasiert, hatte blondes, schon etwas angegrautes Haar und trug schwarze Klamotten. Die Schritte klapperten auf den Stufen, als die Piraten zur Tageskajüte des Kapitäns und zum Arbeitsdeck gingen. Mit aller Anstrengung unterdrückte er erst einen Wutanfall, dann seine Panik und die erneut aufsteigende Angst. Zentimeterweise schob er sich leise in Richtung Tür vor, zwang sich, ruhig zu bleiben und spähte hinaus. Jetzt war der Korridor leer. Nur das Rollen des Schiffs war zu spüren, und ein Ächzen klang auf, laut genug, um die Schritte eines Mannes zu übertönen, der sich vorsichtig in Bewegung setzte. Das war gut und schlecht zugleich. Hamnet schob sich aus der Kammer, zog leise die Tür hinter sich zu – und stand nervös und gut sichtbar im hellen Licht.
    Er musste Hilfe rufen, aber die Funkbude war auf dem oberen Deck im hinteren Teil der Brücke, und im Niedergang, der links von ihm lag, würde er ungeschützt allen Blicken ausgesetzt sein. Er hörte ein Geräusch hinter sich und wirbelte herum, sein Puls hämmerte. Das offene Steuerbordschott schwang zurück und knallte beim nächsten Windstoß wieder gegen die Wand. Draußen auf der Leiter hinauf zur Brückennock würde er sicherer sein, allerdings nicht auf der luvwärtigen Seite. Also rannte er durch den Korridor zu der Leiter an Backbord und nutzte dabei geschickt die Schatten, die die Innenbeleuchtung warf. Der Regen peitschte in gewaltigen Schwaden über ihn hinweg, doch an der windabgewandten Seite wurde es im Schutz der Aufbauten etwas ruhiger. Er blieb einen Augenblick stehen, um seine Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen.
    Während er dem Wind den Rücken zukehrte, starrte er nach Südost. Der Strom der Wasserstraße, die er passieren wollte, lief ebenfalls nach Südost, und Hamnet ging zweifellos davon aus, dass er auf dem Festland gestrandet war, als er sozusagen die Ecke zu eng nahm. Mit dem Bug auf Schiet sitzend, rollten Wind und Wellen gegen das Heck an, sodass das Schiff, voll der Wucht des Wetters ausgeliefert, im Sturm schwere Schlagseite nach Lee genommen hatte.
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