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Schiffe versenken

Schiffe versenken

Titel: Schiffe versenken
Autoren: Mark Chisnell
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der Laden leer. Dankbar sank ich auf einen Stuhl und nuckelte an meinem verletzten Knöchel.
    Ein Kellner tauchte aus dem Dunkel auf wie ein Gespenst. Der Amerikaner sagte etwas auf Thai und der Mann kehrte mit einer Flasche zurück.
    »Was trinken wir ?«, fragte ich.
    »Einheimisches Zeug, aber ganz okay«, sagte er. Die Gläser klapperten auf der Tischplatte und die bernsteinfarbene Flüssigkeit rollte in sie hinein. Der Kellner wollte gehen, aber die Hand des Fremden schoss hervor und packte ihn beim Handgelenk. »Die behalten wir«, sagte er.
    Der Barkeeper betrachtete erst ihn und dann die Hand, die seinen Arm gefangen hielt. Schnell ließ er die Flasche los. In der Stille ließ ich ein paar Scheine auf den Tisch fallen. Der Kellner sammelte sie auf – an seinem Handgelenk konnte man eine hässliche rote Schwiele sehen.
    Ich nahm das Glas vorsichtig hoch. Der Drink war schnell weg. Genau wie der zweite und der dritte. Bis jetzt war mir nicht bewusst gewesen, wie sehr meine Hände gezittert hatten. »Danke für Ihre Hilfe«, sagte ich.
    »Nicht der Rede wert«, antwortete er.
    Ich zuckte mit den Schultern und schluckte den Drink herunter. Ein Glühen breitete sich von innen nach außen aus. Umnebelt blickte ich zur Decke. Eine Spinne krabbelte hektisch einen Bambuspfahl hinunter, und die einsame Glühbirne warf einen gigantischen Schatten von ihr. Ich holte tief Luft und stützte mich auf die Ellbogen.
    »Besser ?«
    Ich nickte und streckte meine Hand aus. Sie zitterte nur ganz leicht. »Sehen Sie ? Alles klar«, sagte ich.
    Er nickte ernst und beobachtete unablässig den Rest des Raumes. »So was kann einem Angst einjagen wenn man’s nicht gewohnt ist.«
    »Sie sehen so aus, als wären Sie’s.« Ich sagte das ruhig, ohne am Ende des Satzes die Stimme zu heben; es war keine Frage. Seine kalten grauen Augen wandten sich mir langsam zu. Die Erinnerung an den Ausbruch von Gewalt vor wenigen Minuten kam deutlich zurück. Zwei Männer hatte er mit verblüffender Geschwindigkeit und Präzision krankenhausreif geschlagen. Ganz gleichmütig. Dabei würde man diesen Mann nicht so einschätzen, als würde er sich in so eine Geschichte überhaupt einmischen. Ich saß volle dreißig Sekunden lang wie erstarrt in diesem Blick, bis er die Flasche nahm und das Gluckern des Alkohols in meinem Glas die unangenehme Stille durchbrach. Ich hörte, wie mein Herz im Gleichschlag mit dem Deckenventilator tickte. Ich wollte gehen, aber dieser Blick hatte mich verhext.
    »Was bringt Sie nach Koh Samui ?« Seine Augen suchten wieder den Raum ab, während er sprach. Dann ruhten sie auf der offenen Tür. Die Tür. Wie da durchkommen? Ich begann, im Geiste Entschuldigungen für mein Gehen zu formulieren, aber zuerst war da seine Frage.
    »Ich musste nur eine Weile weg von allem.« Als ich es ausgesprochen hatte, klang es lahm.
    »Haben Sie Schwierigkeiten?«
    Und plötzlich war es kein Small Talk mehr. Wie durch diese Tür kommen?
    »Eigentlich nicht«, sagte ich, um Zeit zu gewinnen und betrachtete das Muster im Fußboden. »Nein«, wäre die richtige Antwort gewesen. Ich hätte alles, was jetzt kam, vermeiden können, wenn ich in diesem Augenblick einfach nur »nein« gesagt hätte, wenn ich irgendeine blöde Geschichte von Urlaub erfunden und gemacht hätte, dass ich so schnell wie möglich verschwand.
    Stattdessen schaute ich auf und war wieder im Funkeln dieses durchdringenden Blickes gefangen. Ich konnte spüren, wie er es aus mir heraussaugte. Ich hatte mit niemandem gesprochen, nicht seit dem Unfall. Warum also jetzt ? Und auch noch mit diesem Fremden, der mir schon jetzt Angst zu machen begann. Ich frage mich das heute noch. Aber die Antwort lag genau dort, in diesen Augen.
    »Das ist eine lange Geschichte«, sagte ich und kippte den Inhalt des Glases hinunter.
    Er lächelte wieder und die gelben Zähne und das magere Gesicht sahen im Dunkeln aus wie ein Totenkopf. »Wir haben viel Zeit«, sagte er, griff nach vorn und füllte das Glas erneut.
    Ich ließ mich in den Stuhl zurücksinken. Die Spinne war weg. Die Glühbirne pendelte sanft in einem leichten Windstoß. Meine Gedanken begannen ihr zu folgen, und alles begann sich zu drehen. Ich beugte mich schnell wieder vor und starrte vor mich hin, bis das Schwindelgefühl weg war. Eine Bierpfütze arbeitete sich langsam an einem Spalt im Tisch entlang. »Es hat wohl vor sechs Monaten angefangen. Es gab da einen Unfall auf der Autobahn, obwohl ich selbst nicht beteiligt war …«
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