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Legionare

Legionare

Titel: Legionare
Autoren: Howell Morgan
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    NACH DREI NÄCHTEN einer beschwerlichen Wanderschaft hatte Dars Zorn sich abgekühlt. Objektiv betrachtet sah ihre Zukunft trostlos aus. Eine Frau und fünf Orks im tiefsten Feindesland, dachte sie. Ich habe ihnen versprochen, sie nach Hause zu bringen, dabei kenne ich nicht mal den Weg. Trotzdem bereute sie es nicht, die Orks zur Desertion überredet zu haben. Der König der Menschen hatte sie verraten. Die Ork-Regimenter waren niedergemetzelt worden, die ihnen dienenden Frauen ums Leben gekommen. Nicht einmal Twea war verschont worden. Wenn Dar an den Gesichtsausdruck der toten Kleinen dachte, wurde sie immer wieder von Trauer erfasst.
    Am späten Nachmittag war Dar wach. Die Orks machten noch ein Nickerchen. Da sie aufrecht in einem kleinen Kreis saßen, glichen sie friedfertigen Götzenbildern. Dar beneidete sie um ihre Sorglosigkeit. Sie konnte trotz ihrer Erschöpfung nur unruhig und für kurze Zeit schlafen. Sie musterte die Gesichter, die ihr längst nicht mehr animalisch vorkamen. Kovok-mah hatte ihr, nachdem die Menschen sie verstoßen hatten, das Leben gerettet und Obdach gegeben. Doch Duth-tok,
Lama-tok und Varz-hak waren ihr mehr oder weniger fremd geblieben. Zna-yat, Kovok-mahs Vetter, hatte zweimal versucht, sie umzubringen …
    Als Dar die riesigen Orks betrachtete, verwunderte es sie erneut, dass sie nun ihre Anführerin war. Doch sie hatte den Fluchtweg bestimmt. Sie hatte auch den Beschluss gefasst, nachts zu marschieren, »wenn die Washavoki nichts sehen können«. Weibliche Orks, die ausnahmslos »Mutter« genannt wurden, hatten bei den Urkzimmuthi Befehlsgewalt. Solange ihre Gefährten eine Mutter in ihr sahen, verfügte Dar auch über Befehlsgewalt. Deswegen war sie auch dann die Anführerin des kleinen Trupps, wenn sie eigentlich nur durch die Dunkelheit stolperte.
    Sie hielten sich zwar noch im Vorgebirge auf, waren aber weit vom Hinterhalt und dem Schlachtfeld entfernt. Die steilen, bewaldeten Hänge erschwerten zwar ihr Vorankommen, doch das zerklüftete Gelände bot Sicherheit. Bislang war ihnen noch niemand begegnet, denn das Vorgebirge war unfruchtbar. Hier wuchsen nur dicht stehende Bäume, deren bis zum Boden reichendes Geäst das Vorankommen behinderte.
    Bisher hatte der Weg Dar schon einiges abverlangt. Ihre Arme, ihre Beine und ihr Gesicht waren ziemlich zerkratzt, ihre nackten Füße wund, ihr leerer Magen schmerzte. Die Erschöpfung erschwerte ihre Wanderschaft noch zusätzlich, besonders wenn man bedachte, wie wenig sie auf all dies vorbereitet war. Ihr Ziel, die Urkheit-Berge, lag im Norden, doch mehr wusste Dar nicht. Selbst die Orks hatten keine Ahnung, welchen Weg sie gehen mussten.
    Dars einziger Trost war der, dass das Brandzeichen auf ihrer Stirn in König Feistavs Reich keine Kopfjäger anlockte. Aber das hilft mir auch nicht, wenn man mich mit den Orks erwischt.
Es würde sicher nicht einfach sein, einer Gefangenschaft zu entgehen. Sie waren von Feinden umgeben. Sie konnten nur hoffen, dass sie sich an ihnen vorbeischleichen konnten. Leider waren die Orks in Sachen Tarnen und Täuschen völlig unbegabt. Schon einfache Kriegslisten überforderten sie. Es fiel Dar schwer, ihnen begreiflich zu machen, dass sie der Straße fern bleiben mussten. Hätte Kovok-mah sich ihr nicht angeschlossen, hätten die anderen es vielleicht auch nicht getan. Er unterstützte zwar ihre Beschlüsse, doch sie bezweifelte, dass er sie wirklich verstand.
     
    Da Dar nicht einschlafen konnte, beschloss sie, einen Blick auf die vor ihnen liegende Route zu werfen. Sie kletterte den Hang hinauf, bis der Wald endete und sie auf der Kuppe eines Felsens stand. Die Kuppe erwies sich als höchster Punkt dieser Gegend, und so konnte sie einen ungehinderten Blick auf das wellige Land werfen, das sich vor ihr ausbreitete. Dunst verdeckte die weiter entfernten Gebiete. Dar sah keine Spur vom Urkheit-Gebirge.
    Das Land schien besiedelt zu sein – sie erspähte Felder, Obstgärten und Haine. Dunkelgrüne Hecken grenzten sie voneinander ab. Eine Erhebung in der Nähe wurde von einer niedrigen Mauer gekrönt, hinter der sich eine kleine Ortschaft befand. Dar sichtete auch verstreute Gehöfte, die neben den Feldern und Obstgärten lagen. Sie wurde immer ängstlicher, denn sie stellte sich all die feindlichen Blicke vor, denen man auf dem Lande ausgesetzt war. Sie wollte gerade eine sichere Marschroute planen, als Kovok-mah hinter ihr unter den Bäumen hervortrat. »Warum bist du gegangen?«, fragte er auf
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