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Schiffe versenken

Schiffe versenken

Titel: Schiffe versenken
Autoren: Mark Chisnell
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Kapitän wieder auf dem Posten war.
    Hamnet kämpfte sich von der Koje hoch, der Kopf dröhnte, die Knie wackelten, aber das zählte jetzt nicht. »Wenn Sie sie gefunden und aufs Deck gebracht haben, rufen Sie mich auf der Brücke an. Und jetzt los.«
    Johns war bereits aus der Tür, als Hamnet noch einen Moment stehen blieb, um sich an die starke Krängung des Schiffs und seine tauben Beine zu gewöhnen. Die Kammer, in der er sich befand, wurde üblicherweise als Behelfslazarett benutzt, und die Brücke lag genau darüber. Er wankte in Richtung Tür, hielt sich fest, spähte hinaus und starrte auf das eingerissene Plakat mit den Sicherheitshinweisen an der Wand zum Kajütniedergang. Die zerfledderten Ränder waren ein Zeichen von Nachlässigkeit, und Nachlässigkeit war der Bruder der Pflichtverletzung. Er fühlte, wie ihn der kalte Schweiß erschauern ließ. Das war das Ende seiner Karriere – ab sofort würde er nie wieder ein Kommando über ein Schiff erhalten. Verzweifelt versuchte er, diesen Gedanken zu verdrängen und sich ganz auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Rechts sah er den Treppenschacht, stieß die Tür auf und stolperte weiter. Allmählich funktionierten seine Beine besser, und er kämpfte sich über das Stahldeck vor, während er die Wucht des Sturms registrierte, der eine Menge Wasser durch das Steuerbordschott den Niedergang hinunterspuckte. Er fühlte, wie die Wellen gegen den Rumpf krachten und den Stahl beben ließen. Die See donnerte gegen das hilflose Schiff, das vielleicht bald auseinander brach.
    Hamnet musste auf die Brücke und herausfinden, was passiert war. Konnte man die Shawould noch bergen? Die Crew musste jedenfalls bis zum letztmöglichen Augenblick an Bord bleiben, denn dort war sie besser aufgehoben als in den Rettungsbooten. Doch hatte Johns nicht etwas von einem wartenden Schiff gesagt? Vielleicht konnten sich Anna und alle, die nicht unbedingt an Bord gebraucht wurden, dort in Sicherheit bringen? Und falls Richardson es schaffte, das Leck abzudichten, konnte man die Shawould möglicherweise über Wasser halten und abschleppen lassen? Sie waren schließlich nicht weit von Singapur entfernt, und alles Notwendige ließ sich von dort aus arrangieren. Aber lohnte sich dieser Aufwand für das alte Schiff? Vielleicht entschied sich die Reederei lieber für den Abschiedskuss und strich die Versicherung ein? Bald würde er wissen, ob er heute zum zweiten Mal ein Schiff verlor. Verdammt!
    Hamnet streckte die Arme aus, stützte sich auf beiden Seiten ab und torkelte zum Treppenschacht, um den kurzen Weg hinauf zur Brücke hinter sich zu bringen. Im nächsten Moment sah er oben einen Kerl mit einer Maschinenpistole in der Hand. Hätte das Schiff nicht derart geschaukelt, wäre Hamnet entdeckt worden, aber so brachen seine Beine, die sich wie Gummi anfühlten, im richtigen Moment unter ihm weg, und er schaffte das Kunststück, im Bruchteil einer Sekunde aus dem Blickfeld des Mannes zu verschwinden. Auf der Shawould gab es normalerweise keine Schusswaffen – das war allgemeine Praxis in diesem Business. Jetzt wurden Stimmen laut, Schritte polterten über die Stufen nach unten. Hamnet stieß die nächstgelegene Tür auf, schaffte es aber nicht mehr, sie wieder zu schließen, bis die Schritte am Ende der Treppenstufen stoppten. Er verzog sich so weit wie möglich ins Dunkel und wagte kaum zu atmen.
    »Das Risiko ist viel zu groß«, sagte eine Stimme mit amerikanischem Akzent, der schon lange nicht mehr zu Hause aufgefrischt worden war. »Die Tatsache, dass sie ihr GPS bemüht haben, beweist: Sie haben was gemerkt. Bis jetzt hat im Hafen von Singapur bestimmt noch kein einziges Wort die Runde gemacht, Mike. Wenn wir aber die Crew am Leben lassen, wird das anders, und dann haben wir den Salat. Und falls dann die Versicherung nicht blecht, bekommen wir auch nichts. Ich kann natürlich den kleinen Scheißkerl, dem der Pisspott gehört, unter Druck setzen, aber der ist schon pleite, auch wenn’s keiner weiß. Oder was glaubst du, warum der mit dem Deal einverstanden ist.«
    Einen Moment lang war es still. Der modrige Geruch in der dunklen Kammer legte sich wie ein Tuch über Hamnet, so niederschmetternd wie die Erkenntnis, die ihn eben wie ein Blitz gestreift hatte und jetzt bleischwer auf ihm lastete. Gleichzeitig spürte er ein unbändiges Gefühl der Erleichterung. Ob Strandräuber oder Piraten – sie hatten irgendwie eine DGPS-Sendestation ergattert und ihn mit falschen Signalen auf
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