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Vogelstimmen - Bernemann, D: Vogelstimmen

Titel: Vogelstimmen - Bernemann, D: Vogelstimmen
Autoren: Dirk Bernemann
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Vogelstimmen
    Dirk Bernemann
    Roman
    – Anti-Pop –
    1. Auflage Oktober 2010
    Titelbild: Sebastian Rühl, www.sebastianruehl.com
    unter Verwendung einer Fotografie von Thorsten Richter
    ©opyright 2009/2010 by Dirk Bernemann
    Lektorat: Franziska Köhler
    E-Book-Erstellung: nimatypografik
    ISBN: 978-3-86608-624-1
    Alle Rechte vorbehalten. Ein Nachdruck oder
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    « ... everything is beautiful
    because everything is dying ...»
    New Model Army – Autumn
    Die Zeit ist mit einer Geschwindigkeit unterwegs, die mir nicht behagt. Ich habe um Entschleunigung gebeten, schon so oft, um die Möglichkeit zur Rückkehr zum Denken. Um mich herum scheint sich alles rasant zu entwickeln, fix aufzublühen und kurze Zeit später zu verwelken, während ich ewig gleich dumm herumvegetiere und mein Leben beobachte wie Regentropfen an der Fensterscheibe. Dieses Gleichdummbleiben kommt mir vor wie Stagnation, als ob die Grenze jeder meiner menschlichen Möglichkeiten bereits erreicht wäre und es für mich keinerlei Entwicklungschancen mehr gäbe. Als ob mein System ausgereizt, das Spiel bereits gezockt wäre und irgendwo schon Game over stünde, wo ich nicht richtig hingeguckt habe, weil ich einfach zu müde bin. Die Tage zu grau, die Nächte zu schwarz, die Zwischentöne zu unsichtbar.
    Sein eigenes Leben angucken zu müssen, während es sekundenschnell auf eine glatte Glasplatte tropft, rumperlt, runter fließt und irgendwann tröpfelnd verschwindet, sich aus dem eigenen Blickfeld stiehlt, das ist eine Tatsächlichkeit, die ich kaum begreifen kann. Ich fühle mich dann wie ein Autist, der seine Ordnung im Leben verloren hat, der dringend eine Struktur benötigt, die die Umstände des Lebens für ihn einschätzbar und nachvollziehbar macht. Aber da das Leben mit dieser hirnrissigen und herzzerreißenden Geschwindigkeit unterwegs ist und es einfach unmöglich ist, alle mir überantworteten Informationen zu verarbeiten, fühle ich mich wie ein tief greifend entwicklungsgestörtes, stereotyp agierendes Geschöpf, das zu Überempfindlichkeiten neigt. Diese Überempfindlichkeiten bewirken, dass ich sehr häufig unter den Anforderungen des Lebens einfach zusammenbreche, wie ein marodes Gebäude einstürze, meine Existenz unter mir begrabend. Aber mein Zusammenbrechen bekommt niemand mit, das findet nur in mir statt, auf ganz innigem Niveau, ohne Außenwirkung. Mag das Niveau der mir zugemuteten Gefühle noch so niedrig oder durch vielfache Wiederholung bekannt sein, immer ist was dabei, das mich hindert, ganz bei mir zu sein, mich selbst zu steuern, meine Bewegungen oder Gedanken dem Umfeld anzupassen.
    Die Dinge zwischen den authentischen Abbildungen hatten Zeit zur persönlichen Gärung, manches wurde Essig, anderes Champagner, aber beim Meisten kann ich mich bis heute nicht entscheiden. Diese Unfähigkeit, am Leben der Entscheider teilzunehmen, macht mein Leben fortwährend langsamer, und mir wird die Qual bewusster, Inhaber eines Schicksals zu sein, das immer teilweise aus Gefangenschaft besteht.
    Sich in der Mitte einer eigenen Existenz zu entwickeln, während um einen alles verwelkt, was vor einem schon da war, das ist eine der schwersten Aufgaben, die einem so ein Leben stellt. Man stellt fest, dass da schon einige Zeit vergangen ist, die unwiederbringbar kaputtgelebt wurde.
    Natürlich gibt es auch die Leute, die überhaupt nicht mitbekommen, dass das Leben überhaupt was von ihnen will, und die unter Decken in Betten oder unter Tischen in Wohnzimmern mit Kuchen oder kleinen Tieren in den Mündern warten, dass alles schnell vorbeigeht. Oder langsam. Oder überhaupt. Zu diesen Leuten gehöre ich leider nicht. Ich hatte immer den Antrieb, dem Leben etwas abzugewinnen, sinnsuchend zu sein, obwohl das natürlich schon eine Herausforderung ist, die in etwa dem Wettlauf mit einem hungrigen Löwen entspricht. Ich hatte auch immer gedacht, mit fortschreitendem Alter irgendwie milde zu werden, nicht mehr der druckvolle, Magenwand durchschneidende und spontan Kackreiz erzeugende Espresso sein zu müssen, sondern eine entspannte, subversive Schale Café au Lait sein zu dürfen. Ein Stuhl mit
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