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Operation Beirut

Operation Beirut

Titel: Operation Beirut
Autoren: David Ignatius
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Beirut; April 1983
    Fuad hörte die Bombe zweimal. Der Nachhall der Explosion, der ihn mit einigen Sekunden Verzögerung erreichte, blieb ihm noch lange im Gedächtnis, nachdem er die eigentliche Detonation bereits Sekunden zuvor über das Telefon gehört hatte. In diesem Augenblick, in dem Vergangenheit und Zukunft verschmolzen, musste Fuad an Rogers denken und sprach ein Gebet.
    Vom
Au Vieux Quartier
, einem Restaurant in Ost-Beirut, hatte Fuad gerade in seinem Hotel im Westteil der Stadt angerufen, um nachzufragen, ob jemand eine Nachricht für ihn hinterlassen hatte, als es plötzlich durch die Leitung dröhnte: das Donnern einer selbst für Beiruter Verhältnisse ungewöhnlich lauten Explosion. Einen Wimpernschlag später, den die Schallwellen gebraucht hatten, um vom Westen in den Osten vorzudringen, hörte er den Knall auch an seinem tatsächlichen Standort.
    «Eine Bombe!», rief der erschrockene Hotelportier ins Telefon.
    «Können Sie erkennen, woher der Rauch kommt?», fragte Fuad.
    «Von der Corniche her», sagte der Portier nach einer kurzen Pause. Offenbar war er hinausgerannt, um nachzuschauen. «Aus der Nähe der Amerikanischen Botschaft.»
    «Was für eine Farbe hat der Rauch?»
    «Weiß», antwortete der Portier.
    «Ya’Allah!», entfuhr es Fuad. Mein Gott!
    Weißer Rauch deutete auf eine starke Explosion hin. Eine Bombe, die mit solcher Gewalt und Geschwindigkeit detonierte, dass der Luft in weitem Umkreis der Sauerstoff entzogen wurde und eine weiße Rauchfahne entstand.
    Fuads erster Impuls drängte ihn, aus dem Restaurant zu stürzen, um Rogers zu finden – tot oder lebend. Aber dann gewann seine Disziplin die Oberhand. Um ein Uhr dreißig war er mit einem Kurier verabredet, der ihm wichtige Informationen überbringen sollte. Einen Augenblick lang versuchte er sich vorzustellen, was Rogers bei ihrem Treffen heute Abend im Restaurant
Ararat
wohl sagen würde, wenn Fuad ihm mitteilte, dass es ihm selbst an einem chaotischen Tag wie diesem gelungen war, das Dokument zu beschaffen, nach dem Rogers verlangt hatte.
    Fuad setzte sich an die Bar, um auf seinen Kontaktmann zu warten. Alle sprachen über die Bombe.
Haben Sie die Explosion gehört? Sie war unglaublich laut!
Der Barmann warf ein, dass die Bombe in West-Beirut hochgegangen sein musste, woraufhin sich alle ein wenig beruhigten. West-Beirut lag auf der anderen Seite der Stadt. Das war ein anderes Universum. Fuad sagte nichts. Er bestellte sich ein Glas Mineralwasser, an dem er schweigend nippte.
    Der Barmann und seine Freunde setzten ihre Unterhaltung fort. Fuad hörte unauffällig zu. Fast schien es, als gehörte er in diese Umgebung. Obwohl er ein sunnitischer Moslem war, sah er aus wie all die anderen christlichen Geschäftsleute, die an der Bar saßen. Er trug einen Seidenanzug wie sie und zündete sich seine Zigaretten mit einem goldenen Feuerzeug an. Die Araber haben ein spezielles Wort für diese Art von Tarnung. Sie nennen es
taqiyya
. Das Wort bedeutet, dass es erlaubt ist, andere zu täuschen und im Verborgenen zu bleiben, wann immer es nötig ist. Wenn sich ein Moslem in einer Gruppe von Christen befindet, dann sollte er sich auch für einen Christen ausgeben. Was spielt das schon für eine Rolle? Wahrheit ist ein dehnbarer Begriff.
    Ein Libanese steckte seinen Kopf zur Tür herein und rief dem Barmann zu: «L’Ambassade Américaine!» Die Gespräche wurden lauter. Ein Anschlag auf die Amerikanische Botschaft! Fuad spürte, wie sich sein Magen verkrampfte. Er versuchte an etwas anderes zu denken, aber jeder Gedanke führte zurück zur Botschaft und zu Rogers. Um sich zu beruhigen, begann er in Gedanken die Namen Allahs aufzuzählen: Der Mitleidsvolle. Der Gnädige …
    «Die Amerikaner werden schon wissen, was zu tun ist», sagte der Barmann. Einige seiner Gäste stimmten ihm zu. Nein, das wissen sie nicht, dachte Fuad. Das war ja das Problem. Zwar waren 2000  US Marines am Flughafen stationiert, aber niemand konnte sich erklären, wozu. Als Fuad vor sechs Monaten einen Mitarbeiter der CIA -Station in Beirut gefragt hatte, was die amerikanischen Soldaten hier im Libanon tun sollten, hatte ihm der junge CIA -Beamte erklärt, es gehe lediglich darum, «Präsenz zu demonstrieren». «Präsenz demonstrieren», hatte Fuad nachdenklich mit dem Kopf nickend wiederholt, da er dem jungen CIA -Mann nicht zu nahe hatte treten wollen. «Natürlich.» Vielleicht wusste Rogers, was zu tun war.
    Fuad rauchte eine Zigarette nach der anderen
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