Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schiffe versenken

Schiffe versenken

Titel: Schiffe versenken
Autoren: Mark Chisnell
Vom Netzwerk:
auf. Hamnet schlüpfte nach draußen und zog die Tür hinter sich zu. Wind und Regen zerrten an seinen Kleidern. Unten auf dem Ladungsdeck sah er die Dinge unverändert ihren Lauf nehmen: Der Kran war immer noch in Betrieb, die Crew stand wie angewurzelt an derselben Stelle, und Richardson lag da, wo er zusammengebrochen war. Hamnet hängte sich die Maschinenpistole über den Rücken. Die Kerle sollten ihr blaues Wunder erleben, falls sie noch einen seiner Männer erschießen würden.
    Er eilte bis ans Ende der Brückennock, um möglichst weit aus ihrem Blickwinkel zu verschwinden, und stieg auf die Reling. Vom Dach der Brücke aus würde er das ganze Ladungsdeck perfekt überschauen können, und so hielt er sich, die Füße auf der Reling, mit einer Hand an einem Stag fest und tastete vorsichtig nach der Kante des Daches. Das war eine gefährlich exponierte Position – die Brückennock erstreckte sich über die volle Breite des Schiffes. Abgesehen von dem Risiko entdeckt zu werden, schäumte fünfzehn Meter unter ihm die aufgewühlte See. Ein Absturz würde ihn zwar nicht gleich töten, aber er würde von den Wellen hilflos an den Schiffsrumpf genagelt werden, hilflos in jeder Hinsicht: unfähig, sich selbst zu helfen – oder Anna. In dem tobenden Wasser würde er herumgeschleudert wie in einer Waschmaschine, bis er ertrank, während seine Frau und seine Mannschaft ermordet wurden.
    Bei diesem Gedanken begannen seine Beine zu zittern. Er ging in die Hocke, um das Gewicht zu verlagern und die Muskeln wieder unter Kontrolle zu bekommen. Er kämpfte darum, seine Selbstbeherrschung wiederzuerlangen, und begann mit der Kletterei. Auf dem glitschigen Anstrich fand er kaum Halt, und Wind und Regen drohten ihm die Füße wegzureißen. Seine Hände tasteten sich an der Kante des Daches entlang. Irgendwo musste er Halt finden. Langsam kämpfte er sich vorwärts, die Füße auf der schlüpfrigen Reling und zunehmend jedem zufälligen Blick ausgesetzt, den die Piraten nach Luv schicken würden. Außerdem konnte jederzeit jemand auf der Brücke auftauchen.
    In diesem Augenblick knallte die schwerste Welle aus einer ganzen Serie brutal in die Shawould, sodass die Reling zu singen begann. Gischt stieg über die Seite, begrub alles unter sich, und Hamnet klammerte sich verzweifelt fest. Seine Augen brannten unter dem Salzwasser, sodass er nur noch blinzeln konnte; und das Spiel wiederholte sich noch dreimal. Dann folgte eine kurze Pause, in der es ihm gelang, sich erst mit der rechten Hand an ein Stag am Antennenmast zu klammern, schnell mit beiden Händen Halt zu finden, sich mit den Füßen abzustoßen und nach oben zu ziehen. Schließlich konnte er einen Ellbogen auf das Dach schieben, aber das war es auch schon. Seine Handflächen brannten höllisch, denn der Stützdraht schnitt in sie hinein, ohne dass er die Füße hätte abstützen können – sie baumelten frei in der Luft. Die Arme hielten der Belastung kaum noch Stand, der Schmerz raste aus den Händen in die Unterarme und zog weiter an, sodass der Gedanke einfach loszulassen fast übermächtig wurde.
    Hamnet duckte sich, so gut er konnte, und versuchte, die Stärke zu mobilisieren, die oft mit Verzweiflung Hand in Hand geht. Er tastete nach einer Vertiefung, von der er ganz genau wusste, dass sie irgendwo sein musste, denn er war nicht das erste Mal hier oben. Mit einem tiefen Schrei aus Schmerz, Angst und Qual, der zum Glück sofort vom Wind davongetragen wurde, schwang er mit dem ganzen Körper zur Seite – und schaffte es, den rechten Fuß über den Rand des Daches zu schieben. Jetzt konnte er seine Handflächen entlasten und sich mit der Ellbogenkuhle einhängen. Dann hebelte er sich mit dem Fuß zentimeterweise weiter nach oben, obwohl die Ledersohle des Schuhs immer wieder an der nassen Stahlwand abrutschte. Eine letzte Anstrengung – und er warf sich aufs Dach, wo er einfach liegen blieb, nach Luft japste und in die über ihn hinwegrasenden Wolken starrte. Das Wasser peitschte ihm ins Gesicht und über den ganzen Körper.
    Als er eine Tür schlagen hörte, kroch er auf allen Vieren an den Rand. Irgendjemand war auf die Brücke gekommen. Vorsichtig rutschte Hamnet zu einem der Belüftungsschächte, um zu lauschen. Er hörte Schritte und laute Flüche, als einer der Amerikaner – er glaubte, dass es der war, den er als Allerersten gesehen hatte – den Mann unter dem Funkgerät fand. Der Kerl bellte seiner Mannschaft, die auf dem Leichter zurückgeblieben war,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher