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Schattenwesen

Schattenwesen

Titel: Schattenwesen
Autoren: S Rauchhaus
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Diese Wesen wollten so leben. Sie hatten akzeptiert, dass sie morden mussten, um existieren zu können – und sie hätten es mitleidlos immer wieder getan. Ich hatte sie für Opfer gehalten, aber in all den Jahrhunderten waren sie zu Tätern geworden.
    Mein Herz schlug wie verrückt, als könnte es nicht glauben, dass es vorbei war. Die innere Anspannung ließ mich noch einmal blitzschnell den Raum absuchen. Da entdeckte ich den ungewöhnlichen Schatten unterhalb der Klimaanlage. Kein Licht der Welt konnte vor dem Kasten einen Schatten erzeugen!
    »Cyriel!«, zischte ich atemlos.
    Wie ein Blitz sauste er zum Tisch, zu unserem letzten noch halb gefüllten Glaskolben. Gleichzeitig wurde mir klar, dass er ihn nicht werfen konnte – das Schwarz durfte ihn auf keinen Fall treffen! Also streckte ich die Hand aus und Cyriel legte unseren letzten Rest Hoffnung in meine Hände. Aber wie sollte ich so genau treffen? Und so schnell?
    Noch während das Ding sich von der Wand löste, um an der Klimaanlage entlang nach oben zu flüchten,nahm ich Anlauf wie beim Basketball. Nicht gerade meine Sportart, weil ich noch nie gut springen konnte. Mit dem Sprungbein stieß ich mich ab – und flog! Anders konnte man es nicht nennen! Aus dem Augenwinkel erkannte ich unter mir eine schattenhafte Gestalt und spürte einen leichten Druck an den Hüften. Cyriel! Er trug mich und mit ihm sauste ich höher und höher. Ohne nachzudenken, warf ich den Glaskolben senkrecht nach oben. Das Glas zersplitterte an den engen Wänden und ein erstickter Schrei ertönte. Eindeutig Gabriels Stimme! Dann stürzte ich aus etwa vier Meter Höhe in Richtung Boden, ungewöhnlich schräg fallend und so dem herabtropfenden Schwarz ausweichend. Sanft kam ich unten an, weiche Schattenarme umfingen mich.
    Keuchend atmete ich auf, und als Cyriel mich losließ, blieb ich auf wackeligen Beinen stehen. Einen Augenblick lang schien er mich anzusehen und es machte mich verrückt, in seinem Schattengesicht keinerlei Mimik erkennen zu können. Ich wollte wissen, was in ihm vorging. Und warum sich bei mir kein Triumphgefühl einstellen wollte.
    Als er vor meinen Augen menschliche Gestalt annahm, war von der unbändigen Kraft, die ich eben noch gespürt hatte, nichts mehr übrig. In seinem Gesicht spiegelten sich Wut und Trauer. Ich glaubte zu verstehen, was er empfand. Und ich ahnte, woran er dachte. Der nächste Schritt würde auch ihn vernichten. Wenn er mich und die anderen rettete, bedeutete das seinen Tod.

Kira
    Cyriel schloss die Tür und nahm meine Hand. In seinen grünen Augen schimmerten Gefühle, die ich noch nie bei einem anderen Menschen gesehen hatte. Gefühle, die ein Morgen versprachen. Gleichzeitig spürte ich allerdings auch einen bohrenden Schmerz. Ich wollte mich nicht von ihm trennen! Wie konnte er das einfach so hinnehmen?
    »Lass uns noch ein bisschen warten«, flüsterte ich.
    »Dann wären wir nicht besser als die anderen«, erwiderte Cyriel und drückte meine Hand.
    »Und wenn wir einen Tag für uns hätten? Eine Stunde?«
    Cyriel stieß einen Seufzer aus und sah mich an. »Was für eine Versuchung! Glaubst du nicht, ich würde nicht gern alle meine guten Vorsätze hinschmeißen, damit ich den Rest deines Lebens mit dir verbringen könnte?«
    Meines Lebens. Natürlich, er würde viel länger leben!
    »Das will ich ja gar nicht …«, sagte ich widerstrebend.
    »Aber ich!« Cyriel blieb stehen und gab mir einen Kuss, der mich an die Wand drängte. Diesmal küsste er mit einer Leidenschaft, die ich noch nicht kannte. Seine Finger strichen durch mein Haar, über meinen Nacken, meinen Rücken und meine Hüften und ich erwiderte den Kuss ebenso heftig. Eine Welle der Zärtlichkeit riss mich mit, unsere Finger ertasteten den Körper des anderen und trafen sich zum Schluss, verknoteten sich ineinander. Seltenhatte ich so ein Schwindelgefühl erlebt. So musste sich der freie Fall ohne Fallschirm anfühlen. Völlig unkontrolliert – und mit dem Bewusstsein, dass es viel zu früh vorbei sein würde.
    Schließlich nahm Cyriel unsere Hände hoch und wehrte damit weitere Berührungen ab. Ich öffnete die Augen und wir sahen uns einfach nur an. Traurig und glücklich und traurig.

    In seinem Geheimlabor standen jetzt vier Versuchsaufbauten. Vier Bunsenbrenner, an denen er vorhin wohl in aller Eile gleichzeitig gearbeitet hatte, um möglichst viel Schwarz herzustellen. Aber er ließ alles links liegen und ging gezielt auf das Glas in der Ecke zu, hob es auf und
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