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Schattenwesen

Schattenwesen

Titel: Schattenwesen
Autoren: S Rauchhaus
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bemerkten. Cyriel keuchte auf und wirbelte zur Seite. Aber an seiner Haltung konnte ich sehen, dass sein Gegner ihn diesmal erwischt hatte. Ruben wirbelte jetzt umso wilder auf ihn zu, um ihn herum und versuchte die Verletzung für sich zu nutzen. Plötzlich begann Cyriel nach oben zu steigen. Sein Schatten sauste auf das Gitter zu.
    »Komm her und fang mich!«, rief er herausfordernd.
    Ich begriff, dass er Nachtmann von mir weglocken wollte, damit ich fliehen konnte, und ich war sicher, dass ich ihn nie wiedersehen würde. Vielleicht wäre es auch so gewesen – aber Ruben kam nicht auf die Idee, hinter ihm herzurasen.
    »Verschwinde nur, Feigling!«, erwiderte er und der Triumph in seiner Stimme gefiel mir gar nicht. Auf einmal umklammerte er meinen Arm und zerrte mich schneller, als ich folgen konnte, zur Tür.
    »Lassen Sie die Finger von mir!«, fauchte ich, während meine Beine den Bodenkontakt verloren, sodass ich schmerzhaft hinfiel. Nachtmann ließ mich kurz los und brüllte: »Cyriel de Vries, der Feigling! So wirst du in die Geschichte der Schatten eingehen, weil du mir deine Freundin überlassen hast. Wie schön, dass du mir eine neue Assistentin verschafft hast.«
    Noch bevor ich ihm antworten konnte, dass er sich diese Idee in die Haare schmieren sollte, sauste ein wild gewordener Schatten durch das Angstloch auf uns zu. Schwarze Schlieren rasten um Nachtmanns Kopf und wurden immer schneller.
    Während ich den beinahe selbstmörderischen Angriff beobachtete, sah ich schon vor meinem inneren Auge, wie Ruben Cyriel einen tödlichen Stoß versetzte. Aber Nachtmann wollte diesmal anscheinend auf Nummer sicher gehen. Er nahm all seine Kraft zusammen und drängte Cyriel wieder gegen die Wand. Diesmal hatte Cyriel keine schweren Gegenstände in Reichweite, die er werfen konnte. Jetzt wurde es eng für ihn, sehr eng.
    Und in diesem Moment, in dem meine Welt regelrecht in ihre Einzelteile auseinanderfiel, fügte sich in meinen Gedanken alles zusammen wie ein Puzzle. Cyriel hatte vorhin etwas Wichtiges gesagt: Nachtmann hatte ihm mit etwas das Handgelenk verbrannt. Aber Schatten konnte man nicht mit irgendwelchen Chemikalien besiegen – sonst hätte Cyriel diese Idee längst gehabt.
    Nachtmann holte mit dem Messer aus – das nun sein Ziel sicher treffen würde. Gleichzeitig umfasste ich einen der Glaskolben und schrie, so laut ich konnte: »Cyriel!«
    Sein Schatten schien mich anzusehen – trotz der Waffe, die auf ihn gerichtet war – und sprang im gleichen Moment zur Seite, als der Kolben Rubens Rücken traf. Das Schwarz explodierte förmlich, als das dünne Glas zerbrach. Tausende von Spritzern trafen Nachtmann am ganzen Körper, verteilten sich, wurden größer – und verschlangen, was sie berührten. Seine Augen waren weit aufgerissen, als er sich nach mir umdrehte. Gleichzeitig schwand die Farbe an seinem Körper, er wurde schwarz und formlos. Das Messer fiel ihm aus der Hand und Cyriel schnellte vor, um es zu retten. Der sich windende Schatten versuchte noch, sich danach zu bücken, dann war er verschwunden. Auf dem Boden blieb nicht ein einziger schwarzer Tropfen zurück.
    Eine ganze Weile schwiegen wir. Ich hörte meinen Herzschlag wie einen Trommelwirbel im Zirkus. Auf einmal stieß Cyriel einen fast unmenschlichen Seufzer aus und kam auf mich zu, umschlang mich mit seinen Schattenarmen und hielt mich fest. Ich verkroch mich tief in dieses Gefühl, das ich für immer festhalten wollte. Als ich die Augen wieder öffnete, sah ich den menschlichen Cyriel vor mir. In seinem Gesicht konnte ich lesen, dass er das Gleiche empfand wie ich.
    »Wie bist du darauf gekommen?«, fragte er mich und lächelte.
    »Dein verbranntes Handgelenk«, erwiderte ich und strich sanft darüber. Es war an dieser Stelle schwarz, aber er hatte Glück gehabt, dass ihn nur ein winziger Spritzergetroffen hatte. Außerdem bemerkte ich jetzt die Wunde am Arm, die Nachtmann ihm mit dem Messer zugefügt hatte. Auch hier floss kein Blut, sondern unter dem aufgerissenen Stoff war reines Schwarz zu sehen.
    »Du bist genial!«, flüsterte er direkt in mein Ohr, bevor er begann, mit seinen Fingern vom Nacken aufwärts durch mein Haar zu fahren.
    »Meinst du, er ist in einer anderen Wirklichkeit verschwunden?«, überlegte ich leise.
    Cyriel hob die Augenbrauen. »Das ist anzunehmen. Na, die Leute auf der anderen Seite werden sich herzlich bedanken.«
    »Hoffen wir, dass er in der Eiszeit gelandet ist …«, grinste ich und schmiegte mich
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