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Schattenwesen

Schattenwesen

Titel: Schattenwesen
Autoren: S Rauchhaus
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mich, konzentriert weiterzuarbeiten – was bei diesen neuen Fragen nicht ganz leicht war. Das Bild war Rubens Freiheit, so viel hatte ich verstanden. So konnte er als Einziger das Haus verlassen, zumindest in Menschengestalt. Aber was hatte diese Geschichte mit Gabriel zu bedeuten?
    »Und wenn ich Ihnen Bilder malen würde?«, fragte ich ganz nebenbei. »Was kann er Ihnen denn antun?«
    Antonia wurde rot und stemmte die Hände in die Hüften. »Schluss jetzt! Gabriel hat bezahlen müssen, als Ruben in einem Wutanfall mit dem dunklen Messer sein Bein erwischt hat. Ich bin mit diesem ärmlichen Leben schon genug bedient, auch ohne Humpeln!«
    Jolanda stand auf und sah mich erwartungsvoll an, aber sie schwieg. Ebenso Katharina, doch ihr Schweigen wunderte mich mittlerweile nicht mehr.
    Verblüfft starrte ich sie alle an. Nachtmann hatte seinen eigenen Sohn verletzt, um ihm zu zeigen, wer hier das Sagen hatte. Wer konnte so brutal sein?
    Ich hatte inzwischen fast alle Chemikalien zugefügt und rührte seit einer Weile gedankenverloren in dem Glaskolben herum, als Ruben mit einem Knall zurückkehrte. Erschrocken zuckte ich zusammen. Die Tür war gegen die Wand gedonnert und schwang nun in die andere Richtung. Gleich würde sie noch einmal knallen, wenn sie zufiel. Aber stattdessen blieb sie ganz sanft stehen.
    Zögernd wandte ich meinen Blick in Richtung Nachtmann, um den sich alle scharten.
    »Sie haben gedacht, ich wäre Cyriel. Ihr Retter!«, knurrte er. »Nachdem ich mich vor ihnen verwandelt hatte, wichen sie zurück.« Er lachte verächtlich auf. »Als ich auf sie zugeflogen kam – in menschlicher Gestalt, aber mit der Schnelligkeit eines Schattens –, da sind sie gerannt wie die Hasen!«
    »Und Cyriel?«, fragte Richard.
    Ruben zuckte mit den Schultern. »Keine Spur. Sucht nach ihm!«
    Richard, Antonia, Katharina und Jolanda wandtensich, ohne zu zögern, der Tür zu. »Und findet heraus, wo mein Sohn sich schon wieder herumtreibt!«
    Die Schatten verschwanden lautlos in den Gang. Ich war mit Herrn Nachtmann allein. Seine Augen funkelten ungeduldig.
    »Wie weit bist du?«
    »Im Prinzip fertig. Wir müssen jetzt nur eine Weile warten …«
    »Gut!«, sagte er knapp und beruhigte sich langsam wieder.
    »Sag mir, was du alles hinzugefügt hast. Ich werde es überprüfen.«
    Mit einer Pipette entnahm er etwas von meiner Wundermischung und träufelte es in ein Reagenzglas. Ob er wirklich bestimmen konnte, was ich gemischt hatte? Vermutlich schon. Was hatte ich getan?
    »Versuch nicht, mich zu betrügen!«, sagte Herr Nachtmann leise.
    »Das habe ich nicht vor!«, erwiderte ich, obwohl mir der Gedanke in der letzten Stunde etwa dreitausend Mal gekommen war.
    Er wandte sich ab und stellte das Reagenzglas in einen Halter, wo er es näher untersuchte.
    Plötzlich spürte ich eine Hand an meinem Fuß. Beinahe hätte ich laut aufgeschrien, doch ich konnte mich gerade noch bremsen. Unter dem Tisch war jedoch nichts und niemand zu sehen. Nicht einmal ein Schatten … Oder …? Verwirrt starrte ich auf den Boden.
    »Lass dir nichts anmerken!«, zischte eine Stimme von unten.
    Jetzt hatte ich endlich begriffen! Ich konnte nichtssehen, weil ich den Anblick als vollkommen normal empfand: Ich hatte wieder einen Schatten! Nicht den Schatten, den ich früher gehabt hatte. Als ich genauer hinsah, bemerkte ich auch, dass er sich nicht ganz synchron mit mir bewegte. Außerdem war ich sicher, dass mein alter Schatten nicht sprechen konnte.

Kira
    Meine innere Stimme lachte und fühlte sich befreit, ließ mich tiefer atmen. Cyriel ging es gut! Er musste mit Nachtmann in den Raum hineingewischt sein. Die ausgebremste Tür – das war er!
    Ich nahm einen Zettel, kritzelte etwas darauf und ließ ihn zu Boden gleiten.
    Du liegst mir zu Füßen. Daran könnte ich mich gewöhnen. Wie geht’s weiter?
    Den Stift reichte ich nach unten. Die Antwort kam prompt und der Zettel wehte leicht zu mir hoch. Aufgeregt, aber mit einer guten Portion Optimismus fischte ich ihn aus der Schattenhand.
    Wenn ich Ruben ablenke, lauf rüber ins Verlies. Du musst dort etwas zu Ende bringen. Schwarze Farbe steht bereit, ich habe in der letzten Stunde größere Mengen davon hergestellt.
    So viel zum Thema Optimismus. Die Anweisung klang nicht gut. Wenn ich vor Nachtmann weglief, würde er mir doch folgen – und im Verlies saß ich in der Falle!
    Aber ich hatte Cyriel unterschätzt. Er konnte in meinem Gesicht inzwischen lesen wie in einem Buch und so flüsterte er
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