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Jenseits Der Unschuld

Jenseits Der Unschuld

Titel: Jenseits Der Unschuld
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Brenda Joyce
    Jenseits der Unschuld
    AFTER INNOCENCE
    Prolog
    New York City, 1890 »Sofie, wo bist du?«
    Das kleine Mädchen duckte sich, schob trotzig die Unterlippe vor, verkroch sich in die Ecke hinter dem Bett im Kinderzimmer und machte keinen Mucks.
    Schritte näherten sich. »Sofie?« Die Stimme der Mutter klang ungehalten. »Sofie! Wo bist du?«
    Sofie schnappte erschrocken nach Luft, Tränen stiegen ihr in die Augen. Die Tür wurde aufgestoßen, und Suzanne stand auf der Schwelle. Wenn nur mein Papa hier wäre. Wenn er nur nicht fortgegangen wäre. Wenn er nur bald heim käme.
    »Sofie! Wenn ich dich rufe, hast du zu kommen!« sagte Suzanne im Befehlston. »Was machst du da hinten? Ich habe dir etwas Wichtiges mitzuteilen!«
    Sofie sah bang zur Mutter auf, deren verärgerter Blick auf das Blatt Papier zu Füßen des Kindes fiel.
    »Was ist das?« Suzanne bückte sich und riss der Kleinen das mit Buntstiften bemalte Blatt aus der Hand. Ihre Frage war überflüssig, denn auf der Kinderzeichnung war deutlich ein Mann zu sehen, groß und stark in heldenhaften Ausmaßen, und ein kleines Kind mit blonden Haaren. Beide Gestalten rannten. Das Kind lief hinter dem großen Mann her.
    »Sieh dich nur wieder an - du kleiner Schmierfink!« schalt Suzanne und zerriss die Kinderzeichnung. »Hör auf, ständig deinen Vater zu malen - hast du verstanden? Hör auf damit!«
    Sofie schwieg starrköpfig, kroch nur noch tiefer zwischen Bett und Wand. Sie wollte zu ihrem Papa. Ihr Papa sollte wieder da sein. Sie sehnte sich nach ihm.
    Ihr großer, schöner Papa, der immer lachte, sie Küsste und streichelte und ihr sagte, wie lieb er sie hatte und wie brav und klug und hübsch sie war.
    Bitte komm heim, Papa, flehte Sofie stumm.
    Suzanne streckte versöhnlich die Hand aus. »Komm her, Liebes«, sagte sie nun weich.
    Sofie zögerte nicht; sie nahm die Hand der Mutter und ließ sich von ihr auf die Füße ziehen. »Sofie ... «, begann Suzanne seufzend und stockte. »Es muss sein. Du musst es wissen. Ich habe eine schlechte Nachricht für dich.
    Dein Vater kommt nicht mehr heim.«
    Sofie riss sich von der Mutter los. »Nein! Du lügst! Er hat es versprochen. Er hat es mir versprochen!«
    Suzannes schöner Mund wurde schmal. Ihre Augen funkelten kalt. »Er kommt nicht zurück. Er kann nicht zurückkommen. Sofie ... dein Vater ist tot.«
    Sofie starrte ihre Mutter fassungslos an. Sie wusste, was das Wort Tod bedeutete. Vor ein paar Monaten war ihr Kätzchen gestorben. Sofie hatte es gefunden, steif und kalt, mit offenen, glasigen Augen, die nichts mehr sahen.
    Aber ihr Papa durfte nicht
    tot sein!
    »Er kommt nicht zurück«, wiederholte Suzanne mit fester Stimme. »Er ist tot.« Sie zog die Mundwinkel verächtlich nach unten. »Und er hat es nicht anders verdient«, murmelte sie.
    »Nein!« schrie Sofie schrill. »Nein, ich glaube dir nicht! Du lügst! «
    »Sofie!«
    Doch Sofie war bereits aus dem Zimmer gestürmt, rannte den Korridor des großen, angsteinflößenden Hauses entlang, das ihr Vater für seine Familie hatte bauen lassen. Ein Heim, in das sie erst wenige Monate vor seiner Abreise eingezogen waren. Nein, er konnte nicht tot sein! Er hatte versprochen, bald wieder heimzukommen!
    »Sofie, bleib stehen!« schrie Suzanne.
    Sofia achtete nicht auf die Rufe ihrer Mutter. Sie rannte blindlings auf die Marmortreppe zu und die Stufen hinunter. Erst als sie ausrutschte, wusste sie, dass sie nicht so schnell hätte laufen dürfen. Mit einem gellenden Schrei stürzte sie und purzelte wie eine Stoffpuppe die Stufen hinunter, überschlug sich mit fliegenden Armen, Beinen und Haaren, bis sie endlich mit einem dumpfen Aufschlag unten ankam.
    Dort blieb sie liegen und rührte sich nicht.
    Sofie war wie betäubt. Ob von dem schweren Sturz oder von der Schreckensnachricht vom Tod ihres Vaters hätte sie nicht zu sagen gewusst. Allmählich wurde ihr Gesichtsfeld wieder klar, die Halle hörte auf, sich zu drehen. Aber Sofie bewegte sich nicht. Papa ist tot Oh, Papa! schluchzte sie verzweifelt.
    Dann fühlte sie einen stechenden Schmerz, der ihr durch den Knöchel fuhr. Als sie sich aufsetzte, wurde der Schmerz so stark, dass ihr ein grelles, weißes Licht durch den Kopf zuckte und sie blendete. Sie stöhnte auf, das gleißende Licht verschwand, aber der Schmerz blieb. Sie hielt nicht ihren Knöchel fest, sie krallte beide Hände um ihr Herz, rollte sich zusammen und weinte bitterlich.
    »Sofie, Sofie, hast du dir weh getan?« rief die
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