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Schattenwende

Schattenwende

Titel: Schattenwende
Autoren: Katharina Seck
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A LCURIA
    IM J AHRE 781 NACH DER G ROßEN S CHLACHT ZUR S ONNENWENDE
    Der in schwarze Gewänder gehüllte Zauberer und die anmutige WaldElv’ir vervollständigten den Kreis der Erhabenen, als sie auf den lichten Hain der Heiligen traten.
    Die alten Bäume, die einen schützenden Kreis um die Lichtung schlossen, hatten ihre Äste weit in den Himmel gereckt und warfen im wehenden Wind zitternde Schatten auf die fünf Wesen, die sich zu Füßen ihrer knorrigen Wurzeln versammelt hatten.
    Es waren die Abgesandten der fünf Völker Alcurias, die nun gemeinsam den Zirkel bildeten, den Rat der Weisen und Mächtigen.
    Murzo, der Zauberer, Yholanda, die Königin der Elv’ir, L’hara, die regenbogenfarbene Drachenherrscherin, und Gabriel, der Menschenkönig hatten sich an diesem Tag, an dem die Sonne hoch am Himmel stand, zusammengefunden, um eine Zeremonie von äußerster Wichtigkeit zu leiten. Xarapar, Anführer der Var’ir-Gilde, und die übrigen verbliebenen Var’ir-Krieger standen in der Mitte des Kreises, den die Mächtigen der anderen Völker gebildet hatten.
    Murzo streifte die Kapuze ab und zog aus dem weiten Ärmel seines Gewandes ein zusammengerolltes Pergament. Sein Gesicht war alt und runzelig, von tiefen Falten durchzogen, doch niemand machte den Fehler, ihn aufgrund seines hohen Alters zu unterschätzen. Er war ein mächtiger Magier und immer noch im Besitz all seiner Zauberkraft, auch wenn sie hier, in dem fremden Königreich Therraine, nicht in all ihrer Fülle pulsieren konnte, vor allem nicht, da die Sonnenwende bereits vorüber und die Jahreshälfte des Lichts angebrochen war.
    Als er mit brüchiger Stimme zu sprechen begann, senkte sich eine ehrfürchtige Stille über den mystischen Ort. Jedes noch so winzige Getier schien den Worten dieses bedeutsamen Mannes lauschen zu wollen.
    „Es gibt eine Welt jenseits der unsrigen. Entfernt durch die Weite der Sterne und den unendlichen Lauf der Zeit. Unerreichbar für jeden Unwürdigen, der sich dorthin flüchten will. Und doch vermag sie uns Hoffnung zu schenken. Hoffnung, die Linie unserer Hüter, der Var’ir, wieder zum Leben zu erwecken, auf dass sie uns mit gestärkter Kraft vorGefahren zu beschützen vermögen. Alte Berichte von Magiern, die lange vor unserer Zeit lebten, erzählen von einem besonderen Symbol, das die Liya genannt wird. Es befand sich einst in unserer Welt, aber es ist schon lange verschwunden und mit ihm die Magie, die so wichtig ist für die Var’ir. Findet es, Xarapar! Es ist ein Zeichen der Geburt und Fruchtbarkeit und der Bereicherung Eurer Macht! Findet es und bringt es heim!“
    Seine Stimme bebte und schwoll weiter an, als er fortfuhr:
    „1.500 Jahre sollt Ihr dort verweilen, bis sich das Tor wieder öffnet und sich unsere Nachfahren hier, an eben diesem Ort, einfinden sollen, um Euch zurückzuholen. Ich habe die Sterne beobachtet und ihren Lauf errechnet. Sie weisen auf einen Weg voller Gefahren, den Ihr beschreiten müsst, ehe Ihr Euer Ziel erreicht. Ihr werdet Gegner besiegen müssen, deren Gedanken Ihr nicht kennt, denn Ihr seid fremd an jenem Ort, zu dem Ihr gesandt werdet. Ihr werdet gegen Waffen kämpfen müssen, die sich niemand vorstellen kann, so fremdartig werden sie sein. Doch verzagt nicht und seid mutig! Besiegt Eure Furcht und nutzt die Klugheit, die Euch gegeben ist, um die Suche voranzutreiben. Mit welcher Gestalt sich das Symbol der Liya auch immer bemänteln mag, Ihr werdet es erkennen, denn es ist außergewöhnlich in jener Welt und trägt auch dort einen Teil von unserem geliebten Alcuria in sich. Doch nun rasch, lasst uns nicht länger zögern, denn ich spüre bereits die Macht des Ortes wachsen.“
    Murzo warf die Arme in die Luft und sang Worte in einer fremden Sprache. Einer Sprache, die es in Alcuria schon längst nicht mehr gab.
    Vielleicht stammte sie aus dem Zeitalter der Kriege oder war gar noch viel älter.
    Yholanda, Xarapar und Gabriel fielen ein und ihre Stimmen vermischten sich zu einer einzigen, zusammengesetzt aus der geheimnisvollen Macht des Zauberers, der lieblichen Anmut der Elv’irKönigin, der finsteren Entschlossenheit des Var’ir und der besonnenen Schlichtheit des Menschen. L’hara, die die alcurische Sprache nicht sprechen konnte, ließ einen Teil ihrer unerschütterlichen Lebensenergie in den Zirkel einfließen und stärkte ihn so auf ihre Weise.
    Ein dünner Nebelschleier löste sich langsam vom erdigen Waldboden und stieg hinauf in die Luft, umschlängelte die Beine der
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