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Schattenwende

Schattenwende

Titel: Schattenwende
Autoren: Katharina Seck
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der sie noch in Kontakt stand. Sie und ihr Mann Mark hatten sich angeboten, Halie am Wochenende öfters mal zu sich zu nehmen, damit Daphne ohne Gewissensbisse arbeiten und sich um den Haushalt kümmern konnte.
    „Mach dir keine Sorgen, Schwesterchen! Wir werden schon gut auf deine Kleine aufpassen“, versprach Janet tröstend.
    Dessen war Daphne sich sicher. Doch als sie nun auf den Bürgersteig zurücktrat, spürte sie einen Kloß im Hals. Sie ließ ihre Tochter nicht gern bei anderen Menschen zurück, selbst wenn es ihre eigene Schwester war, der sie vollkommen vertrauen konnte. Es fühlte sich an, als würde sie Halie abschieben und im Stich lassen. Daphne setzte ein gezwungenes Lachen auf, ehe sie sich in ihr altes, rostiges Auto setzte und wild winkend losfuhr.
    Kaum war sie außer Sichtweite, ließ sie ihre Hand aufs Lenkrad sinken und musste gegen die plötzlich aufsteigenden Tränen ankämpfen.
    Sie wischte sich mit dem Handrücken über die Augen und versuchte, sich auf den fließenden Verkehr zu konzentrieren. Einen Moment überlegte sie, ob sie sich für ihre Schwäche verachten sollte. Gab es nicht auch andere Menschen, die ein hartes Leben hatten? Andere alleinerziehende Mütter, die sich ohne Vater mit ihren Kindern durch das Leben schlagen mussten? Was waren ihre Probleme da schon wert, wenn man jeden Tag unzählige, bedauernswerte Schicksale an jeder Straßenecke sah?
    Die Tränen, die sie nicht vergießen wollte, nahmen ihr die Sicht. Daphne blinzelte und schluckte den Kloß herunter, den sie immer noch im Hals verspürte.
    In diesem Moment passierte es. Sie übersah das Vorfahrtsschild, wurde von zwei gleißenden Scheinwerfern geblendet und verlor die Orientierung. Der Fahrer eines großen, schwarzen Geländewagens riss blitzschnell das Lenkrad herum. Der Wagen kam auf der nassen Fahrbahn ins Schlittern, doch es war zu spät.
    Ein lautes, blechernes Scheppern erklang, verursacht durch den harten Aufprall, mit dem der Geländewagen in ihre rechte Seite rutschte. Daphne wurde nach vorn geschleudert, als ihr Wagen sich drehte und dann abrupt zum Stehen kam.
    Einige Sekunden verstrichen. Sie versuchte sich zu sammeln und hob benommen den Kopf. Ein stechender Schmerz fuhr ihr heiß durch die Schläfe und sie sackte in ihrem Sitz zusammen. Daphne rang nach Luft und tastete mit zittrigen Fingern ihren Kopf ab. Vermutlich hatte sie sich beim Aufprall gestoßen.
    „Sind Sie verletzt?“, ertönte da unerwartet eine tiefe Stimme neben ihr und sie warf erschrocken den Kopf herum, was eine erneute Schmerzwelle auslöste.
    Neben ihrer Autotür stand ein Mann. Und zwar der umwerfendste Mann, den sie je gesehen hatte. Er war groß und mindestens dreimal so breit wie sie. Er trug dunkle Kleidung und seine schwarzen Haare reichten ihm fast bis zum Kinn. Seine pechschwarzen Augen vervollständigten das Bild. Alles an diesem Mann strahlte pure Kraft aus. Neben ihm kam sie sich klein, mickrig und verletzlich vor.
    Daphne zwang sich, den Mann nicht so anzustarren, und schüttelte langsam den Kopf.
    „Ich glaube, mir ist nichts passiert.“
    „Wirklich nicht?“
    Der durchdringende Blick dieser schwarzen Augen ging ihr durch Mark und Bein. Ungeschickt öffnete Daphne die Tür und stieg auf unsicheren Beinen aus dem Auto. Nervös richtete sie ihre Kleidung und schüttelte wiederholt den Kopf.
    „Nein, wirklich … es ist … alles bestens. Und Sie? Sind Sie verletzt?“, erkundigte Daphne sich schuldbewusst. Sie wagte es nicht, den teuren Hummer des Mannes anzusehen. Von ihrer eigenen Karre ganz zu schweigen.
    Seltsamerweise verzogen sich seine Lippen zu einem flüchtigen Lächeln.
    „Es braucht schon mehr als so eine Kleinigkeit, um mich von den Beinen zu hauen.“
    Das glaubte Daphne ihm aufs Wort. Sie räusperte sich verlegen.
    „Ich … Entschuldigen Sie meine Unaufmerksamkeit. Ich weiß nicht … ich weiß nicht, wie das passieren konnte. Sie wollen sicherlich die Polizei rufen?“
    Ihre Wangen brannten.
    Aus Schamgefühl und aus Angst. Sie hatte ihre Versicherung noch nicht bezahlt, weil ihr das nötige Geld fehlte, und sie wusste nicht, ob der Schutz überhaupt noch gültig oder bereits automatisch erloschen war. Wenn letzteres der Fall sein sollte … Sie wagte einen Blick auf ihr Auto und fuhr erschrocken zusammen. Die ganze rechte Seite war zerbeult und verbogen. Das würde mit Sicherheit als Totalschaden durchgehen. Wie sollte sie in Zukunft zur Arbeit fahren? Wie sollte sie ihre Kleine zur Schule
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