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Schattenwandler 01. Jacob

Schattenwandler 01. Jacob

Titel: Schattenwandler 01. Jacob
Autoren: Jacquelyn Frank
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Inhalt des Glases schnüffelte und Noah dann fragend anblickte.
    „Milch“, erklärte Noah.
    „Das weiß ich“, erwiderte Jacob ungeduldig. „Von was?“
    „Von einer Kuh. Aber aus Kanada importiert, nicht pasteurisiert und naturbelassen.“
    „Hm. An deinem Tisch hätte ich etwas Besseres erwartet, Noah.“
    „Die Kinder waren hier. Alles Bessere wäre für sie zu viel gewesen. Und du hättest die sechs betrunkenen Unruhestifter meiner Schwester dann wieder einfangen können. Du erinnerst dich doch noch, was sie uns in dem Alter immer für Schwierigkeiten gemacht hat?“, sagte der König. „Und dann stell dir ihre Nachkommen vor.“
    Jacob musste grinsen und nippte vorsichtig an der Milch. Nach einem ersten Schluck, den er erfrischend fand, leerte er gleich das halbe Glas. „Deine Schwester Hannah“, erinnerte er sich, „hatte kaum ihren ersten Atemzug getan, als sie schon anfing, Schwierigkeiten zu machen. Darum werde ich deine Verwandten nicht so schnell aus den Augen lassen.“ Lässig prostete er dem König zu. „Natürlich rechne ich Legna nicht zu denen, die deine berüchtigten Gene haben“, fügte Jacob großzügig hinzu.
    „Natürlich“, erwiderte Noah trocken.
    „Wie geht es den Kindern überhaupt? Deine Schwester muss ja verrückt werden, wenn sie sie unter diesen Umständen alle im Griff behalten will“, meinte Jacob. Er warf einen Blick in Richtung Mond, der aber von hier aus nicht zu sehen war.
    „Warum, glaubst du wohl, hat Hannah sie hergebracht? Ich denke, sie hat gehofft, dass die Ahnungen des königlichen Onkels dabei hilfreich sein könnten.“ Noah massierte eine Verspannung in seinem Nacken. „Ich hätte deine Hilfe gebrauchen können. Stell dir mal vor, wie gut sie sich benommen hätten, wenn plötzlich der Vollstrecker hier aufgetaucht wäre.“
    Jacob wusste, dass Noah ihn nur aufzog, doch er fand die Bemerkung nicht so wahnsinnig komisch. In der Welt der Dämonen nutzten Mütter den Vollstrecker, um ihre Kinder zu gutem Benehmen anzuhalten. Es war ein notwendiges Übel, wenn man bedachte, welch unglaubliches Unheil junge Dämonen anrichten konnten. Trotzdem hieß das nicht, dass Jacob davon angetan war, denn für ihn bedeutete es ein ziemlich einsames Leben. Diese Dämonenkinder wurden zu Erwachsenen und schließlich zu Ältesten, die ihre Angst vor dem Vollstrecker niemals ganz verloren.
    Auf der anderen Seite machte das seine Aufgabe um einiges leichter. Es war ein netter Nebeneffekt, dass er nur aufzutauchen brauchte, damit sich auch dem Stärksten der Magen umdrehte und es gar nicht erst zu großen Kämpfen kam. Er war überrascht, dass es bei seinem Bruder so gut funktioniert hatte. Kane war bekannt dafür, dass er immer behauptete, der Vollstrecker könne ihn überhaupt nicht einschüchtern, da er schließlich mit ihm aufgewachsen sei. Doch das stimmte offensichtlich nicht so ganz, und Jacob war sich nicht sicher, ob ihm das gefiel. War er dankbar, dass er nicht mit seinem kleinen Bruder hatte kämpfen müssen? Natürlich. Aber war er auch glücklich, dass sein Bruder genauso viel Angst vor ihm hatte wie alle anderen? Nein, eigentlich nicht.
    „Und stand irgendwas Interessantes drin?“ Jacob deutete auf das große staubige Buch, das halb gelesen auf Noahs Tisch lag.
    „Eigentlich nicht.“ Er hielt kurz inne. Seine graugrünen Augen mit der blassen Iris schienen im Licht des Feuers zu glühen. Er musterte Jacob. Offenbar war es Noah nicht entgangen, wie geschickt der Vollstrecker das Thema gewechselt hatte. „Auch wenn wir in unserer Kultur und bei unseren Bräuchen noch so archaisch sein mögen, diese Bücher beweisen doch, wie modern wir eigentlich sind. Es ist, als würde man eine andere Sprache lesen.“
    „Sprache lebt. Als Gelehrter müsstest du es eigentlich zu schätzen wissen, dass selbst eine so alte Sprache wie unsere sich im Laufe der Zeit entwickelt.“
    „Im Moment hilft mir das allerdings wenig. Wir befinden uns mitten in einer Krise, die sich immer weiter zuspitzt, und ich habe bisher keinen Ausweg gefunden.“
    „Dann müssen wir eben einfach so weitermachen, wie wir es immer getan haben“, erwiderte Jacob leise, um den offensichtlich gereizten Noah etwas zu beruhigen. Der Dämonenkönig war zehnmal so berüchtigt für seine Launen wie seine Schwester Hannah, obwohl er sie auch zehnmal besser unter Kontrolle hatte. Noah war der festen Überzeugung, dass niemand jemand anderen führen konnte, wenn er seine eigenen Gefühle nicht beherrschte.
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