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Kosaken Liebe

Kosaken Liebe

Titel: Kosaken Liebe
Autoren: Heinz G. Konsalik
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1
    Die Glocken läuteten, als sie in Moskau einfuhren.
    Sie waren das gewöhnt, denn in Moskau läuteten meistens die Glocken. Entweder betete der Zar um die Gnade Gottes, oder er ließ vor dem Kreml Spione, Aufsässige, lästige Adlige, Verräter und Denunzierte hinrichten. Und immer läuteten dabei die Glocken, als bestünde der Moskauer Alltag nur aus Festen.
    Und auch das wiederholte sich, wenn sie durch Moskau fuhren: Die Menschen an den Straßenrändern gafften sie ungläubig an, als sähen sie ein Wunder oder als gäbe es so etwas nur in einer anderen Welt zu sehen. Sie zogen die Hüte und Mützen, verbeugten sich und steckten dann die Köpfe zusammen. Hast du das gesehen, Brüderchen? Sie haben ihre Schlitten mit Zobel ausgeschlagen, ihre Pferdchen tragen silbernes Geschirr, die Glöckchen an der Troika sind aus purem Gold, und die hohen Mützen sind mit Edelsteinen besetzt. Welch ein Reichtum! Welch ein Stolz! Aber wie lange wird das gutgehen? Darf man reicher sein als der Zar? Darf man es auch noch zeigen? Gott stehe ihnen bei, den reichen Herrchen aus dem Permer Land …
    Die Kremlwache ließ die Schlitten ungehindert passieren. Wer da dick vermummt in den flauschigen Blaufuchspelzen hockte, hatte immer freie Durchfahrt.
    Hinter der Kremlmauer scholl ihnen schon der Gesang der Mönche aus der Auferstehungskirche entgegen, aber der Weg von der Kirche zum Palast war mit Soldaten bespickt. Fürst Schuisky trat gerade aus der Tür, als die Schlitten hielten. Diener griffen nach den dampfenden Pferden und schlugen die dicken Fuchsdecken in den Schlitten zurück. Drei Männer in langen, mit Zobel besetzten Gewändern stiegen aus und reckten sich in der eisigen Luft.
    Die Gebrüder Stroganow waren angekommen.
    »Fürst Schuisky!« rief Jakob, der älteste. »Daß wir dich als ersten sehen, ist ein gutes Omen! Wie geht es dem Zaren?«
    »Er betet.« Fürst Schuisky zeigte auf die Kirche. »Wir hatten gestern vierundneunzig Hinrichtungen. Der Zar betet, daß er recht daran getan hat.«
    Der Gesang der Mönche schwoll an. Die Stroganows schwiegen und blickten hinüber zu den vergoldeten Zwiebeltürmen. Aber es war kein ehrfürchtiges Schweigen … Während der Chor Gott lobte, rechneten die Brüder still nach, wie hoch der Zar bei ihnen verschuldet war. Wieviel Gold, Silber und Kupfer, wieviel Pelze und Seiden, Brokate und harte Rubel hatten sie als Gegenleistung gezahlt, damit niemand sagen könnte: »Seht euch doch die Stroganows an! Ihr Reichtum wächst von Tag zu Tag, wie ein Hefeteig im Ofen quillt. Eines Tages werden sie vor Überfluß und Macht platzen! Was gehört dem Zaren und was den Stroganows … Man kann es schwer unterscheiden!«
    »Wollt ihr in die Kirche gehen?« fragte Fürst Schuisky. Er kam die Treppenstufen hinunter und schlug den Pelzkragen hoch.
    Die Brüder zögerten, dann schüttelten sie die Köpfe. Der Gesang der Priester und Mönche verebbte, die Glocken dröhnten. Zar Iwan IV., den man den Schrecklichen nannte, ließ sich jetzt segnen. Der Metropolit von Moskau tat es selbst, denn auch der oberste Kirchenfürst hat nur einen Kopf auf den Schultern. Seinen Vorgänger hatte man gefoltert, entmannt und geblendet – ein Vorbild, dem nachzueifern mit keinem Bibelwort befohlen wird.
    »Eure Boten sind vorgestern eingetroffen«, sagte Fürst Schuisky zu Jakob, Gregor und Semjon Stroganow. Sie tauschten die obligaten Bruderküsse. »Es schien so, als habe sich der Zar gefreut.«
    »Er braucht Geld.« Gregor Stroganow lachte unbekümmert. »Wir bringen ihm hunderttausend Rubel in Gold.«
    »Er wird euch an seine Brust ziehen.« Fürst Schuisky schob die drei Brüder zur Tür, die vom Palast über einen kurzen Weg zur Kirche führte und die der Zar mindestens dreimal am Tag aufstieß, um dem Gesang seiner Priester und Mönche zu lauschen. Bisher war noch jeder Zar, je älter er wurde, in den Schoß der Kirche zurückgekrochen … Nur war es seltsam, daß auch jeder Zar mit zunehmendem Alter immer grausamer wurde. Sie schlossen sich von der Welt ab und vernichteten die Welt …
    »Schnell hinein!« sagte Schuisky. »Das Gebet ist zu Ende. Wenn euch der Zar draußen sieht und nicht in der Kirche, wird er ungnädig sein.«
    Sie durcheilten einige große Zimmer und lange Gänge, gewölbeartige Säle mit gedrehten Säulen und bespannten Wänden, und stellten sich dann im Vorraum des Audienzsaales auf. Eine Gruppe Bojaren wartete bereits und begrüßte die Stroganows höflich, aber mit deutlichem
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